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Gier, Kerstin

Gier, Kerstin

Titel: Gier, Kerstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smaragdgruen (Liebe geht durch alle Zeiten Bd 3)
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im Inneren des
Chronografen ein Feuer tobte, so wurde die Luft plötzlich eisig kalt. Das
flackernde Licht erlosch und die Zahnrädchen standen wieder still. Das Ganze
hatte nicht mal eine halbe Minute gedauert.
    Ich ließ
Gideon los und rieb mir über die senkrecht stehenden Härchen auf meinem Arm.
»War das alles?«
    Gideon
holte tief Luft und streckte seine Hand aus. Dieses Mal zitterte sie ein wenig.
»Das werden wir jetzt sehen«, sagte er.
    Ich zog
eine von Dr. Whites kleinen Laborflaschen aus meiner Tasche und reichte sie
ihm. »Sei vorsichtig. Wenn es ein Pulver ist, könnte ein Windstoß es einfach
wegwehen!«
    »Das wäre
vielleicht nicht das Schlechteste«, murmelte Gideon. Er drehte sich zu mir um.
Seine Augen glänzten. »Siehst du? Unter dem Zwölfgestirn erfüllt
sich das Versprechen.«
    Ich pfiff
auf das Zwölfgestirn. Stattdessen verließ ich mich lieber auf meine
Taschenlampe.
    »Mach
schon«, sagte ich ungeduldig, beugte mich vor und dann zog Gideon das winzige
Schublädchen heraus.
    Zugegeben,
ich war enttäuscht. Irgendwie war ich nach all der Geheimniskrämerei und dem
Mysterien-Blabla schrecklich enttäuscht. In der Schublade befand sich weder
eine Flüssigkeit, wie Leslie es mir prophezeit hatte (»Sie ist bestimmt rot
wie Blut«, hatte sie mit weit aufgerissenen Augen gesagt), noch ein Pulver noch
ein wie auch immer gearteter Stein.
    Es war
eine Substanz, die aussah wie Salz. Allerdings ein besonders schönes Salz, wenn
man genau hinschaute, lauter winzige, opalisierende Kristalle.
    »Verrückt«,
flüsterte ich. »Nicht zu fassen, dass wegen dieser paar Krümel hier seit
Jahrhunderten so ein Aufwand betrieben wird.«
    Gideon
hielt die Hand schützend über die Schublade. »Hauptsache, niemand erfährt, dass
wir nun im Besitz dieser Krümel sind«, sagte er etwas atemlos.
    Ich
nickte. Mal abgesehen von denen, die es bereits wussten. Ich entkorkte die
Flasche. »Beeil dich lieber!«, zischte ich. Plötzlich hatte ich eine Vision,
wie Lady Arista, die, soviel ich wusste, vor nichts und niemandem Angst hatte
und ganz bestimmt nicht vor Höhe, sich aus der Luke schwang und uns das Fläschchen
entriss.
    Gideon
schien etwas Ähnliches zu denken, denn er füllte ganz unfeierlich die Krümel in
die Flasche um und verschloss sie. Erst als er sie in seiner Jacke verstaut
hatte, schien er aufzuatmen.
    Doch in
diesem Moment kam mir ein anderer Gedanke. »Jetzt, wo der Chronograf seinen
Zweck erfüllt hat, funktioniert er vielleicht gar nicht mehr«, sagte ich.
    »Das
werden wir ja sehen«, erwiderte Gideon und lächelte mich an. »Ich würde sagen:
auf ins Jahr 1912.«
     
    13
     
    »Oh Shit, ich glaube, ich habe mich auf den verdammten Hut
gesetzt«, murmelte Gideon nebenan.
    »Hör auf
zu fluchen, sonst stürzt uns noch die Decke auf den Kopf!«, zischte ich. »Und
wenn du den 'üt nischt anziehst, werde isch disch bei Madame Rossini
verpetzen!«
    Xemerius
lachte gackernd. Dieses Mal hatte er es sich nicht nehmen lassen, uns zu
begleiten. »Der Hut wird es auch nicht rausreißen! Mit der Frisur werden ihn
1912 alle für einen Goldgräber halten. Er hätte sich wenigstens einen ordentlichen
Seitenscheitel ziehen können.«
    Ich hörte
Gideon wieder leise fluchen, diesmal weil er sich offenbar den Ellenbogen
angestoßen hatte. Es war gar nicht so einfach, sich in einem Beichtstuhl
umzuziehen, und ich war mir ziemlich sicher, dass es ein entsetzliches Sakrileg
war, einen solchen Ort als Umkleidekabine zu missbrauchen. Mal abgesehen davon,
dass es ganz bestimmt auch einen weltlichen Strafbestand darstellte, in eine
Kirche einzubrechen, selbst wenn man nichts klauen, sondern von hier aus nur
rasch ins Jahr 1912 springen wollte. Gideon hatte die Seitentür mit einem
metallenen Haken aufgeschlossen, so schnell, dass ich gar keine Zeit gehabt
hatte, nervös zu werden.
    »Donnerwetter!«
Xemerius hatte anerkennend durch seine Zähne gepfiffen. »Das soll er dir auch
beibringen. Zu zweit wären wir ein unschlagbares Einbrecher-Team. Geradezu
unsterblich gut.«
    Es
handelte sich übrigens um dieselbe Kirche, in der Xemerius und ich uns
kennengelernt hatten und in der Gideon mich das erste Mal geküsst hatte. Obwohl
keine Zeit war, mich in nostalgischen Erinnerungen zu verlieren, kam es mir so
vor, als würden diese Ereignisse lange, lange zurückliegen, vor allem, wenn man
bedachte, was seither alles passiert war. In Wirklichkeit lagen ein paar Tage
dazwischen.
    Gideon
klopfte von außen an die Tür.

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