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Gier, Kerstin

Gier, Kerstin

Titel: Gier, Kerstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smaragdgruen (Liebe geht durch alle Zeiten Bd 3)
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»Fertig?«
    »Nein.
Leider hat man bei meinem Kleid den Reißverschluss noch nicht erfunden«, sagte
ich, verzweifelt über die vielen Knöpfe am Rücken, die sich auch unter
abenteuerlichsten Verrenkungen nicht alle erreichen ließen.
    Ich
schlüpfte aus dem Beichtstuhl. Ob mein Herz jemals aufhören würde, bei Gideons
Anblick schneller zu schlagen? Ob ich irgendwann bei jedem Blick auf ihn nicht
mehr das Gefühl haben würde, von etwas unfassbar Schönem geblendet zu werden?
Wahrscheinlich nicht. Dabei trug er diesmal nun wirklich einen unspektakulären
dunkelgrauen Anzug, darunter eine Weste und ein weißes Hemd. Aber die Sachen
standen ihm einfach zu gut, die breiten .. .
    Xemerius,
der kopfüber von der Empore baumelte, räusperte sich. »Es war einmal ein
kleines Schaf, das glotzte treu und brav ...«
    »Sehr
hübsch«, sagte ich schnell. »Ein zeitloses Mafia-Boss-Outfit. Die Krawatte ist
übrigens perfekt gebunden. Madame Rossini wäre stolz auf dich.« Seufzend wandte
ich mich wieder meinen Knöpfen zu. »Oh Gott, der Erfinder des Reißverschlusses
hätte längst heiliggesprochen werden müssen.«
    Gideon
grinste. »Dreh dich um und lass mich das mal machen«, sagte er. »Oh«, er
stockte kurz, »das sind ja Hunderte.«
    Es dauerte
eine geraume Weile, bis er alle Knöpfchen geschlossen hatte, was vielleicht
auch daran lag, dass er mich bei jedem zweiten in den Nacken küsste. Ich hätte
es mit Sicherheit mehr genossen, wenn Xemerius nicht bei jedem Kuss »Schmatz,
schmatz, kleiner Fratz« gerufen hätte.
    Endlich
waren wir fertig. Madame Rossini hatte mir ein hochgeschlossenes hellgraues
Kleid mit Spitzenkragen herausgesucht. Der Rock war ein bisschen zu lang,
sodass ich gleich mal darüber stolperte und der Länge nach hingefallen wäre,
wenn Gideon mich nicht aufgefangen hätte.
    »Das
nächste Mal ziehe ich den Anzug an«, sagte ich. Gideon
lachte und machte Anstalten, mich zu küssen, aber weil Xemerius schrie »Nee,
nicht schon wieder!«, schob ich ihn sanft von mir.
    »Wir haben
keine Zeit mehr!«, sagte ich. Und außerdem hängt zwei Meter über
unseren Köpfen einefledermausflügelige Kreatur und schneidet entsetzliche
Grimassen. Ich sah böse zu Xemerius hinauf.
    »Was
denn?«, sagte Xemerius. »Ich dachte, das hier ist eine wichtige Mission, kein
Rendezvous. Du solltest mir lieber dankbar sein.«
    »Wohl
kaum«, knurrte ich.
    Gideon war
in der Zwischenzeit in den Chorraum gelaufen und hatte sich vor den
Chronografen niedergekniet. Wir hatten ihn nach längerem Überlegen unter dem
Altar platziert, weil ihn dort hoffentlich niemand während unserer Abwesenheit entdecken würde, es sei denn, die hatten hier eine Putzfrau, die Samstagabends arbeitete.
    »Ich halte
die Stellung«, versprach Xemerius. »Falls jemand kommt und das Ding klaut,
werde ich ihn gnadenlos ... äh .. . anspucken.«
    Gideon
nahm meine Hand. »Bereit, Gwenny?«
    Ich sah
ihm direkt in die Augen und mein Herz machte einen kleinen Satz. »Bereit, wenn
du es bist«, sagte ich leise.
    Xemerius'
(ohne Zweifel ätzende) Bemerkung hörte ich nicht mehr, die Nadel bohrte sich
bereits in meinen Finger und Wellen rubinroten Lichts trugen mich davon.
    Kurze Zeit
später richtete ich mich auf. Die Kirche war menschenleer und genauso still wie
in unserer Zeit. Halb hoffte ich, Xemerius auf der Empore zu entdecken, halb
fürchtete ich mich davor. Im Jahr 1912 hatte er sich auch schon hier
herumgetrieben.
    Gideon
landete neben mir und griff sofort wieder nach meiner Hand. »Komm, wir müssen
uns beeilen! Wir haben nur zwei Stunden und ich wette, das reicht nicht mal für
ein Zehntel unserer Fragen.«
    »Was, wenn
wir Lucy und Paul überhaupt nicht bei Lady Tilney antreffen?«, sagte ich und
bei diesen Worten begannen meine Zähne, vor Aufregung zu klappern. Noch immer
brachte ich es nicht über mich, an sie als meine Eltern zu denken. Und wenn
schon die Aussprache mit Mum schlimm gewesen war, wie würde es dann erst mit
ihnen sein - völlig Fremden?
    Als wir
aus der Kirche traten, regnete es in Strömen. »Na toll«, sagte ich und hätte
plötzlich alles für einen von Madame Rossinis unkleidsamen Hüten gegeben.
»Hättest du nicht vorher den Wetterbericht lesen können?«
    »Ach was.
Das ist nur ein leichter Sommerregen«, behauptete Gideon und zog mich
vorwärts. Bis wir den Eaton Place erreicht hatten, hatte uns der leichte
Sommerregen allerdings komplett durchnässt. Man kann sagen, dass wir durchaus
Aufsehen erregten, denn alle anderen

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