Gier, Kerstin
Haus gewesen.«
Lavinia
sagte nichts mehr. Aleott verriegelte die Tür, drehte sich zu uns um und zog
einen Dolch aus seiner Rocktasche, ein eher zierliches Modell. Ich hätte sicher
trotzdem fürchterliche Angst haben müssen, aber Angst wollte sich immer noch
nicht so richtig bei mir einstellen. Wahrscheinlich, weil mir das Ganze
vollkommen absurd vorkam. Unwirklich. Wie eine Szene in einem Film.
Und
mussten wir nicht jeden Augenblick zurückspringen?
»Wie viel
Zeit haben wir noch?«, flüsterte ich Gideon zu.
»Zu viel«,
stieß er mit zusammengebissenen Zähnen hervor.
Auf
Aleotts Rattengesicht zeigte sich freudige Erregung. »Ich übernehme das
Mädchen«, sagte er, vor Tatendrang geradezu sprühend. »Ihr erledigt den
Jungen. Aber seid vorsichtig. Er ist listig und flink.«
Lord
Alastair stieß nur ein verächtliches Schnauben aus.
»Dämonenblut
wird die Erde tränken«, grunzte Darth Vader voller Vorfreude. Sein Repertoire
an Sätzen schien äußerst begrenzt zu sein.
Weil
Gideon immer noch mit den unerreichbaren Säbeln zu liebäugeln schien und seinen
ganzen Körper konzentriert anspannte, sah ich mich nach einer alternativen
Waffe um. Kurz entschlossen hob ich einen der gepolsterten Stühle hoch und
richtete die fragilen Stuhlbeine auf Aleott.
Der fand
das aus irgendeinem Grund amüsant, denn er grinste nur noch mordlüsterner als
vorher und kam langsam auf mich zu. So viel war klar: Was immer seine Motive waren,
eine reine Seele würde er in diesem Leben nicht mehr erlangen.
Auch Lord
Alastair kam näher.
Und dann
geschah alles auf einmal.
»Du
bleibst hier stehen«, rief Gideon mir zu, während er den zierlichen
Schreibtisch umstürzte und ihn mit einem Tritt über das Parkett auf Lord
Alastair zuschlittern ließ. Nahezu gleichzeitig riss er einen der schweren
Kerzenleuchter von der Wand und schleuderte ihn mit aller Kraft auf den Ersten
Sekretär. Er traf ihn mit einem sehr hässlichen Geräusch am Kopf und ließ ihn
zu Boden gehen wie einen Felsbrocken. Gideon hielt sich nicht damit auf zu
überprüfen, ob sein Treffer erfolgreich gewesen war. Noch als der Leuchter sich
in der Luft befand, war er schon losgesprungen - direkt auf die Säbelsammlung
zu. Lord Alastair wiederum machte einen Ausfallschritt, um dem heransausenden
Schreibtisch auszuweichen, aber anstatt Gideon daran zu hindern, die Säbel von
der Wand zu reißen, war er mit wenigen Schritten bei mir. Das alles hatte nur
einen Wimpernschlag in Anspruch genommen und ich hatte kaum Zeit, den Stuhl zu
heben, mit der festen Absicht, ihn Lord Alastair über den Kopf zu braten, als
sein Degen auch schon nach vorne schnellte.
Die Klinge
durchbohrte mein Kleid und drang unter meinem linken Rippenbogen tief in mich
ein, und ehe ich recht begriff, was geschehen war, zog Lord Alastair die Waffe
wieder heraus und schnellte mit einem triumphierenden Aufschrei zu Gideon
herum, die mit meinem Blut beschmierte Degenspitze auf ihn gerichtet.
Der
Schmerz erreichte mich mit einer Sekunde Verspätung. Wie eine Marionette, der
man die Fäden durchschnitten hatte, kippte ich vornüber auf meine Knie und
presste instinktiv die Hand an die Brust. Ich hörte Gideon meinen Namen
schreien, ich sah, wie er gleich zwei Säbel von der Wand riss und über seinem
Kopf schwang wie ein Samurai-Krieger. Ich sank derweil endgültig auf den Boden,
mein Hinterkopf schlug nicht mal unsanft (für so etwas ist eine Perücke doch
sehr praktisch) auf dem Parkett auf. Wie durch Zauberei war der Schmerz
plötzlich verschwunden. Einen Moment lang starrte ich verblüfft ins Leere, dann
schwebte ich in der Luft, schwerelos, körperlos schwebte ich höher und höher im
Raum, der stuckverzierten Decke entgegen. Um mich herum tanzten goldfarbene
Staubpartikelchen im Kerzenlicht und es war beinahe so, als wäre ich eins von
ihnen geworden.
Tief unter
mir sah ich mich selber liegen, mit weit aufgerissenen Augen und nach Luft
ringend. Auf dem Stoff meines Kleides breitete sich ein Blutfleck langsam aus.
Die Farbe wich rasch aus meinem Gesicht, bis meine Haut so weiß wie meine
Perücke war. Verwundert schaute ich zu, wie meine Lider zitterten und sich dann
schlossen.
Aber der
Teil von mir, der in der Luft herumschwebte, konnte alles weiter beobachten:
Ich sah
den Ersten Sekretär reglos neben dem Kerzenleuchter liegen. Er blutete aus
einer großen Wunde an der Schläfe.
Ich sah
Gideon zornesblass auf Alastair zustürmen. Der Lord wich zur Tür zurück und
parierte die
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