Gier
Il Ricurvo sich nie weiter als ein paar Meter vom Sorridente entfernt, er ist sein Leibwächter. Il Sorridente wiederum steht, soweit wir wissen, knapp unterhalb der Spitze, möglicherweise ist er aber in der letzten Zeit etwas ins Abseits gedrängt worden. Doch er wird nach wie vor zu den höchsten Tieren gezählt, die wir in der âNdrangheta kennen. Denn wir sprechen hier von der âNdrangheta, meine Freunde. Das ist der Mann, der das Todesurteil gegen mich ausgesprochen hat.«
»Was das Ganze ein wenig verkompliziert«, bemerkte Sifakis, während er den Film anhielt und das Gesicht des linken Mannes heranzoomte. Um seine Mundwinkel herum spielte ganz richtig ein schwaches Lächeln, während sein unbestreitbar gebeugter Untergebener Stiernmarck gegen den Türpfosten stieÃ. Allerdings wirkte sein Lächeln nicht gerade echt, sondern eher wie eine einseitige Gesichtslähmung.
»Inwiefern verkompliziert?«, brüllte Tebaldi aufgebracht los.
»Wir tauschen jetzt einen Boss gegen den anderen aus«, meinte Sifakis und klickte mit der Maus, woraufhin sich Paul Hjelms Gesicht in Riesenformat durch die Züge des Sorridente hindurch auf den Bildschirm schob.
»Ich sehe euch«, sagte das riesige Gesicht schicksalsträchtig.
»Ja, ja«, schnaubte Tebaldi. »Inwiefern verkompliziert?«
»Gerade weil du von ihm zum Tode verurteilt worden bist«, antwortete Paul Hjelm. Er hatte einen Geräuschpegel hinter sich, als wollte ganz London mit in die Ãbertragung. »Es wird schwer zu rechtfertigen sein, wenn wir dich schicken.«
»Und wen wollt ihr sonst schicken? Die Prinzessin auf der Erbse?«
»Du bist Tag und Nacht von Leibwächtern umgeben. Sie folgen dir wie das suspekte Gehilfenduo in Kafkas Schloss . Willst du sie etwa mitnehmen?«
»Du musst mich fahren lassen!«, schrie Tebaldi. »Das ist schlieÃlich all die Jahre mein Ziel in diesem verkorksten Leben gewesen. Wir sind dem Sorridente noch nie so nahe gekommen. Er hat immerhin meinen Bruder ermordet!«
»Wir werden auf die Frage zurückkommen, wenn wir genauer wissen, wo sich der sogenannte Ottavio Mascaro aufhält. Donatella aus Rom hat sich nicht zufällig wieder gemeldet?«
»Sie hat nur eine Mail geschickt, dass es sich komplizierter gestaltet, als man gedacht hätte«, antwortete Angelos Sifakis.
»Und Riga?«
»Kein Mucks. Sie schlagen sich wahrscheinlich mit dem herum, was man Politik nennt.«
»Donât mention the war«, sagte Paul Hjelm. »Ich habe hier in wenigen Minuten eine Zusammenkunft mit der Polizeidirektion. Es ist möglich, dass uns danach völlig die Hände gebunden sind. Aber vielleicht schaffen wir es ja vorher noch, rasch die entschlüsselten Mails durchzugehen. Was meint ihr?«
»Dein alter Freund hat uns etwas überrascht, indem er an einem Samstagmorgen tatsächlich aufgestanden und zur Arbeit gekommen ist«, sagte Sifakis. »Chavez?«
»Trappistenbier ist weià Gott kein Vergnügen«, bemerkte Jorge Chavez finster. »Paul, du musst entschuldigen, wenn wir für einen Augenblick dein allmächtiges Gesicht wegklicken und stattdessen einen Blick auf die entschlüsselten Mails werfen. Die erste ist also vom September vorigen Jahres.«
Er gab das Wort an Sifakis zurück, der mit einer routinierten Handbewegung auf der Tastatur das Bild austauschte, sodass anstelle von Hjelm jetzt eine E-Mail im Riesenformat auf dem Bildschirm erschien. Chavez fuhr fort: »Es geht allerdings nicht unbedingt um den ersten Kontakt, eher um den dritten oder spätere. Die beiden ersten Mails hat Stiernmarck unwiderruflich löschen können. Das hier ist also ein paar Wochen, bevor der unbekannte Finanzier auf der Bildfläche erscheint und Endymion mittels eines Kontos auf den Caymaninseln vor der Insolvenz rettet, geschrieben worden. Ach übrigens, immer noch kein Kontakt mit Mr More, Arto?«
Söderstedt wand sich ein wenig und antwortete: »Nein, noch nicht.«
»Okay«, sagte Chavez. »Der Inhalt der verschlüsselten Mail bedeutet: âºDanke für die preisgünstige und unkomplizierte Lösung meines Giftproblems. Allerdings ist das nicht genug. Das Unternehmen steht kurz vor dem Untergang.â¹ Was meint ihr? Kann man das so deuten?«
»âºIhre Lösung für das akute Dilemma der Firma ist in der Tat zufriedenstellend, gleichwohl besteht
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