Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
Vom Netzwerk:
verdrängen, dachte sie über den Plan nach. Ging ihn ein ums andere Mal durch. Erst als die Dämmerung langsam einsetzte, kam sie ein wenig zur Ruhe.
    Das Erdgeschoss des Schlosses bestand aus einem großen Saal, vermutlich dem Saal für die Zusammenkünfte von La Santa. Zwischen dem Haupteingang und dem Saal lag ein Korridor, in dem man in früheren Zeiten vor der Begegnung mit dem Fürsten seine Waffen ablegen musste. Links und rechts vom Korridor führten zwei Treppen nach oben zu jeweils einer Empore mit einer gut einen Meter hohen Steinbalustrade, die sich über die gesamte Länge des Saals erstreckte. Von den Emporen verliefen diverse Gänge hinauf in das verfallene Obergeschoss des Schlosses. Dort oben war nach ihren Plänen alles eine einzige Ruine. Das galt praktisch gesehen auch für die gesamte rechte Empore. Der Bereich, der zugänglich war, beschränkte sich im Großen und Ganzen auf die linke Empore, die auf einer Höhe von sieben, acht Metern entlang des großen Saals verlief.
    Es ging letztlich darum, so geräuschlos und unauffällig wie möglich den Raum hinter dem großen Saal zu erreichen. Alles deutete darauf hin, dass dort die Zentrale lag, das Hirn des Schlosses. Mit großer Wahrscheinlichkeit stand dort der Computer, über den der Kontakt sowohl zu Carl-Henric Stiernmarck in Stockholm als auch zum Regierungsviertel in Riga aufgenommen worden war. Falls sich irgendwelche Personen im Schloss aufhielten, befanden sie sich im hinteren Raum. Ins Schloss hinein gab es keinen anderen Weg als durch das große Eingangsportal, denn die einzige Fensterluke befand sich an der rückwärtigen Mauer, die ihren Aufzeichnungen zufolge am Rand eines extrem steilen Abhangs stand.
    Erst als Lavinia Potorac etwas erstaunt das Handy entgegennahm, das Fabio Tebaldi ihr reichte, sah sie, dass er eine Art Kriegsbemalung trug. Sie hatte keine Ahnung, wann er sich die braunen und grünen fingerbreiten Striche ins Gesicht gemalt hatte. Allerdings wusste sie noch weniger, wann er draußen gewesen war und das gefilmt hatte, was sie jetzt auf dem relativ großen Display seines Handys sehen konnte. Sie warf ihm einen überraschten Blick zu. Er zuckte mit den Achseln und entgegnete: »Du hast gegen Morgen so schön geschlummert.«
    Das Schloss war einmal rundherum gefilmt worden, im gesamten Umkreis von dreihundertsechzig Grad. Kurze Sequenzen aus jedem Blickwinkel und genau aus dem Abstand, in dem sie sich jetzt befanden. Tebaldi musste in einem Kreis um das gesamte Schloss herum mehrere Kilometer durch den Wald gewandert sein. Und sie hatte tatsächlich geschlafen. Das irritierte sie maßlos. Als die Wanderung die Rückseite des Schlosses erreichte, stoppte er den Film.
    Die Rückseite des Schlosses bestand in der Tat aus einer geschlossenen Steinmauer, genau wie auf dem Plan verzeichnet. Es gab eine einzige fensterähnliche Luke im unteren Bereich, die auch auf dem Plan eingezeichnet war. Tebaldi zeigte auf die Luke und sagte: »Darunter ist keineswegs ein steiler Abhang, wie es der Plan zeigt, es handelt sich eher um ein stark abfallendes Geröllfeld von bestimmt hundert Metern mit Feldsteinen und Dornenbüschen. Es ist also kein Weg hinein, aber zur Not ein Fluchtweg.«
    Â»Hast du noch etwas anderes entdeckt?«, fragte Potorac, noch immer irritiert von Tebaldis Alleingang.
    Â»Nur, dass die Gegebenheiten, von außen betrachtet, mit unseren Unterlagen übereinstimmen«, antwortete Tebaldi abgeklärt. »Und ich habe keinerlei Anzeichen dafür entdeckt, dass sich hier Menschen aufhalten. Nirgends ein Auto, keine Kameras, keine Überwachung. Sieht tatsächlich wie eine Ruine aus.«
    Â»Was wahrscheinlich auch der Sinn des Ganzen ist«, schloss Potorac.
    Â»Es gibt jedenfalls nichts, was uns an der Durchführung unseres Plans hindert«, sagte Tebaldi.
    Außer unserem Gehirn, dachte Lavinia Potorac. Außer unserer Intelligenz, der gesunden Vernunft, dem Selbsterhaltungstrieb, unseren tief im Körper verankerten polizeilichen Instinkten.
    Tebaldi nahm sein Handy wieder an sich und hielt dann ein Fernglas an die Augen. Er richtete es geradewegs auf den großen Eingangsbereich des Schlosses. Dann reichte er es Potorac, die damit in dieselbe Richtung schaute. Das alte Eichenportal hing schiefer in seinen Angeln, als auf dem Plan erkennbar war, wodurch eine Öffnung entstand, durch die sie selbst mit

Weitere Kostenlose Bücher