Gier
erwiderte Söderstedt. »Noch nicht sonderlich viel, oder? China wartet den geeigneten Zeitpunkt ab. Sie sind in der Vergangenheit bei der Herstellung aller möglichen Produkte rücksichtslos von westlichen Unternehmen ausgenutzt worden. Während dieses Prozesses haben sie viele Erfahrungen gesammelt. Es war gewissermaÃen ihre Lehrzeit. So lief es zum Beispiel auch mit Nike. Alles wurde in China hergestellt. Aber die Chinesen haben sich so einiges angeeignet und wurden schlieÃlich zu Konkurrenten. Eine ehemalige olympische Goldmedaillengewinnerin in der Gymnastik hat ihre eigene Marke gegründet, Li Ning, die in Kürze Nike überholt haben wird. Genauso ist es mit al-Qaida, wenn du diesen etwas hinkenden Vergleich zulässt, da haben sich die Amerikaner ihre eigenen Gegner herangezogen.«
»Aber in diesem Fall ist es ja nicht ganz so extrem«, wiegelte Beyer ab. »Wenn du recht hast, sind es wohl eher die schwedischen Möbel, die illegal kopiert werden.«
»In China werden mehr schwedische Designmöbel hergestellt, als du glaubst.«
»Aber nicht die von Endymion . Sie haben ja ihre eigene Fabrik in â wie hieà es noch gleich? â Nynäshamn.«
»Hier wird das Ganze allerdings etwas kompliziert«, sagte Söderstedt und nickte. »Die Mafia hat Endymion übernommen.Haben sie es getan, um Endymion zu verändern? Um in Schweden hergestellte Qualitätsmöbel durch billige chinesische Kopien zu ersetzen?«
»Aber mit welchem Ziel? Um IKEA Konkurrenz zu machen und sie vom Markt zu verdrängen?«
Söderstedt musterte die bescheidene, klein gewachsene Jutta Beyer und empfand eine gewisse Zärtlichkeit für sie. Aber zugleich war er erstaunt.
»IKEA setzt immerhin Milliardenbeträge um«, antwortete er. »Ist doch klar, wenn man einen Teil dieses Möbelmarkts erobert, kann man damit viel Geld verdienen.«
»Nein«, widersprach Jutta Beyer. »Das glaube ich nicht. IKEA ist kein Unternehmen, das man so einfach aussticht. Sie sind immerhin weltweit vertreten. Das würde unendlich viel Zeit in Anspruch nehmen. Und wenn die âNdrangheta eines nicht hat, dann ist es Geduld. Sie würden sich niemals auf eine alteingesessene Möbelindustrie stürzen. Sie wollen etwas anderes.«
»Da stimme ich dir zu«, sagte Söderstedt. »Aber den letzten Informationen aus Riga zufolge hat die Mafia zielgerichtet versucht, ganz Lettland in den Ruin zu treiben. Obwohl sie gar nicht die finanziellen Mittel haben, die nötig sind, um ein ganzes Land aufzukaufen.«
»Aber es könnte ihnen darum gehen, jegliche Form der Bewachung der Küste auszuschalten«, entgegnete Jutta Beyer. »Und das wie gesagt für ein bedeutend weitreichenderes Ziel als die Giftverklappung. Wie groà der Schaden auch sein mag, den die baltische Küste daran nehmen wird.«
»Dann reden wir allerdings von Schiebereien«, merkte Söderstedt an. »Und da müssen wir eigentlich über Waffen- und Drogenhandel reden. Nur diese Bereiche sind groà genug.«
»Verflucht noch mal, damit entfernen wir uns aber ziemlich weit von Zhang Sang. Er redet von dem vergifteten Saluen und von Betten, höchstwahrscheinlich also von der Herstellung von Betten. Aber er sagt weder âºDrogenâ¹ noch âºWaffenâ¹.«
»Nein«, gab Söderstedt zu und warf einen raschen Blick auf sein nahezu unberührtes Bier. »Nein, Zhang Sang sagt âºGeldâ¹. Wenn es ihm um Drogen- oder Waffenschiebereien gegangen wäre, hätte er sich anders ausgedrückt. Stattdessen nennt er das Wort âºGeldâ¹. Sagt er es wirklich nur, um zu betonen, wie gierig die Fabrik ist? Versteht sich das nicht von selbst? Warum verwendet er ausgerechnet den Begriff âºGeldâ¹?«
»Und«, merkte Beyer an, während sie vor Aufregung vom Stuhl sprang, »Zhang Sang wollte dem amerikanischen Präsidenten gegenüber von âºGeldâ¹ sprechen. Er ist nicht in London, um über Drogenschmuggel von Riga nach Westeuropa zu reden. Er ist dort, um Barack Obama davon zu berichten â so naiv der Gedanke auch sein mag â, wie seine Heimat durch etwas vergiftet wird, das mit amerikanischen Interessen zu tun hat. Mit amerikanischem Geld.«
»Und genau zur selben Zeit«, fügte Söderstedt hinzu und wandte den Blick wieder von seinem Bier ab, »befindet sich eine amerikanische
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