Gier
der Lüge überführen können. Wir wollen nicht, dass Yunli in der Nähe ist. Und auÃerdem würde ich das Polizeikorps am liebsten mit sofortiger Wirkung verlassen.«
Kerstin Holm seufzte und dachte über die Prioritäten nach. Dann fragte sie: »Wir haben genug gesehen, oder?«
»Ich glaube schon«, entgegnete Sara Svenhagen.
»Kämm dir die Haare«, forderte Kerstin Holm sie auf. »Es ist an der Zeit, unsere neu installierte Europol-Videokonferenzanlage auszuprobieren.«
Sie wählte auf dem Computer ein Symbol und öffnete schlieÃlich ein Fenster, aus dem sie selbst und Sara herausblickten. Sara zog sich etwas zurück, während Kerstin die Kamera über dem Bildschirm justierte und mit der Maus einen Pfeil anklickte.
Anstelle von Kerstins Gesicht erschienen nun albinoweiÃe Gesichtszüge in dem Fenster, und sie hörten: »Oh, Mann! SchlieÃt schnell die Türen. Wenn die anderen das zu sehen bekommen, werden sie Pogrome gegen uns Schweden anzetteln.«
Arto Söderstedts Gesicht wurde rasch von Paul Hjelms verdrängt, während Jorge Chavez immer wieder kurz durch das Bild huschte.
Nach einigem Geplänkel holte Kerstin Holm tief Luft, räusperte sich und sagte: »Ich glaube, ich habe den ersten Fall für die Opcop-Gruppe aufgetan.«
Trotz der miserablen Bildqualität konnte sie erkennen, dass sich Paul Hjelms Blick schärfte.
»Ich höre«, entgegnete er.
»Ein schwedischer Geschäftsmann aus der Möbelbranche hat mit fünfundneunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit direkten Kontakt zur italienischen Mafia gehabt, allem Anschein nach zur âNdrangheta. Wir haben drei Mails an unterschiedliche italienische E-Mail-Adressen herausgefiltert. AuÃerdem scheinen Verbindungen ins Baltikum zu existieren, genauer gesagt nach Lettland.«
Paul Hjelm in Den Haag zog die Augenbrauen mit derartiger Intensität hoch, dass es auch Kerstin und Sara in Stockholm unmittelbar auffiel. »Sehr interessant«, meinte er. »Wissen wir, um was es da geht?«
»In keiner Weise, die Mails scheinen codiert zu sein. Aber Jon hat als einen der Empfänger eine IP-Adresse ausmachen können, die von der Mafia benutzt wurde.«
»Jon?«, rief Hjelm aus. »Jon Anderson?«
»Offiziell betrachtet hat sich Jon Anderson an Europol gewandt, um die übliche Unterstützung bei einer supranationalen Angelegenheit anzufordern. Informell betrachtet hat er den Fall der Opcop-Gruppe übergeben. Von deren Existenz er allerdings nichts weiÃ.«
Jorge Chavez drängte sich ins Bild. »Ich war fünf Jahre lang Jon Andersons Partner«, sagte er. »Wenn er das in seiner neuen Position herausgefunden hat, muss er sich dafür an die RaV gewandt haben.«
»Ich weià nicht, wie es zugegangen ist«, erklärte Kerstin Holm, »aber Polizeiarbeit ist plötzlich offenbar zu einer sehr geheimen Sache geworden.«
»Wir leben in einem neuen Zeitalter«, warf Paul Hjelm ein und schob Chavezâ Kopf regelrecht aus dem Bild. »Entweder akzeptiert man, dass sich die Zeiten geändert haben, oder man verlässt das Korps.«
»In diesen Tagen wird in der Tat ziemlich viel über das Verlassen des Korps geredet.«
»Vermutlich gibt es auch gute Gründe dafür. Die Polizeigewalt insgesamt steht vor gigantischen Veränderungen. Ohne dass wir es bemerkt hätten, sind bereits mehr als die Hälfte aller staatlichen Institutionen Europas in privater Hand.«
»Outsourcing«, warf Arto Söderstedt ein, der nun hinter Hjelm aufgetaucht war. »Wie in Abu Ghraib.«
»Schick mir alles, was du hast. Und was sagt der Geschäftsmann dazu?«, fragte Hjelm, nachdem er Söderstedt weggeschoben hatte.
»Bislang noch nichts. Carl-Henric Stiernmarck ist noch, tja, etwa eine Stunde lang in Paris. Vermutlich steht er mit seiner Ehefrau Wictoria bereits am Charles de Gaulle. Sie werden in dreieinhalb Stunden in Arlanda und in frühestens vier Stunden zu Hause in Nacka sein. Bis dahin wird alles in der Villa wieder aussehen wie zuvor. Er hat keine Ahnung davon, dass wir seinen Computer geklont haben. Wir werden bei der ersten Vernehmung eine Menge Asse im Ãrmel haben.«
»Da es für den Fall keine Rolle zu spielen scheint, wie ihr ihn lokalisiert habt, frage ich auch nicht danach. Schickt alles her, was ihr habt, und reicht die Vernehmungsunterlagen nach, wenn ihr
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