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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Erlebnis, den weißen Mittelstreifen gradlinig in die Luft ragen zu sehen wie eine tiefgefrorene Wasserdampfsäule.
    Die Brücke in Danvikstull war geöffnet.
    Die Verwunderung in der Stimme, als sie sich ankündigten. Sie hallte jetzt im absolut geräuschlosen Hybridauto zwischen ihnen nach.
    Carl-Henric Stiernmarck wollte das Ganze nicht an die große Glocke hängen. Er gab unmittelbar zu, dass er im betrunkenen Zustand E-Mails an diverse Politikerinnen des linken Lagers geschickt hatte, was er sofort danach bereute. Kerstin Holm erklärte, dass sie gerne mit ihm über die Sache reden würden. Stiernmarck bat sie, zu ihm nach Hause zu kommen.
    Dorthin waren sie jetzt auf dem Weg.
    Es war klar, dass er in der Zwischenzeit einen ganzen Kader von Rechtsanwälten konsultiert hatte.
    Â»Sollen wir irgendwelche Grenzen für das Gespräch festlegen?«, fragte Sara Svenhagen, während sie die Fahrbahn vor ihnen betrachtete, die gerade unter beunruhigend lautem Kreischen wieder heruntergelassen wurde.
    Â»Wir sind immer noch am besten, wenn wir improvisieren«, meinte Kerstin Holm, »wir checken die Lage und sehen, wo die Grenzen verlaufen. Aber natürlich werden wir nicht zu viel preisgeben.«
    Â»Und was ist zu viel?«
    Â»Wie anstrengend du bist.«
    Sie schwiegen, während die Brücke quietschend wieder ihre ursprüngliche waagerechte Position erreichte. Die Signalleuchten hörten auf zu blinken, die Schranken wurden hochgelassen. Sie glitten mit dem lautlos schnurrenden Elektromotor über die Danviksbro, verließen den Värmdöväg bei der Abfahrt Sickla, passierten das Einkaufszentrum von Sickla und bogen am Rondell nach Süden in Richtung Järlasee ab.
    Erst da sagte Kerstin Holm: »Zu viel ist, wenn er auch nur ahnt, dass wir es wissen.«
    Â»Echt super, klare Direktiven zu haben«, entgegnete Sara Svenhagen.
    Erst am nächsten Kreisel fingen sie an zu lachen, und da waren sie bereits auf dem Nackanäsväg. Als er sich zu einer kleinen Brücke über einen Abschnitt des Järla sjö verengte, befanden sie sich draußen auf dem Land – Stockholm war im Grunde genommen eine Kleinstadt. Sie fuhren in den Hästhagsväg, bogen noch ein paarmal in immer kleinere Straßen ein und waren schließlich im Herzen von Hästhagen angekommen.
    Die Fassade der Stiernmarck’schen Villa war geschmackvoll in ihrer minimalistischen Art. Vermutlich befand sich auf der Rückseite ein Pool, aber das Anwesen hatte nichts Protziges oder Neureiches. Kerstin Holm klingelte, woraufhin eine langhaarige blonde Frau in ihrem Alter öffnete. Sie trug Trainings-Tights und joggte im Flur auf der Stelle.
    Â»Entschuldigen Sie«, sagte sie, in eine Adrenalinwolke gehüllt, und streckte die Hand vor. »Bei einem langen Wochenende in Paris setzt man schnell an. Und im sechsten Arrondissement konnte ich nicht joggen, ich hätte mich sofort verlaufen. Ich habe überhaupt keinen Orientierungssinn. Ich warte noch auf das optimale Lauf-GPS, sie behaupten, es sei gerade in der Entwicklung. Aber was rede ich da, ich bin Wictoria Stiernmarck, ich glaube, Carl-Henric erwartet die Damen bereits.«
    Sie stellten sich kurz vor – nannten aber nur ihre Namen, für den Fall, dass der Ehemann seine bessere Hälfte nicht darüber informiert hatte, dass sie Polizistinnen waren – und sahen Frau Stiernmarcks schlanken Körper leichtfüßig zwischen den charmanten Villen davongleiten. Kerstin und Sara wechselten rasch einen vielsagenden Blick und betraten die Villa.
    Â»Kommen Sie doch bitte herein«, ertönte ein kraftvoller Bariton, der im gewaltigen Resonanzkörper der Villa widerhallte. »Ich bin im Arbeitszimmer.«
    Sie gelangten in einen stilvollen großen Flur, von dem aus sie einen Blick nach links in ein ziemlich geräumiges, pedantisch aufgeräumtes Wohnzimmer warfen. Wang Yunli war zweifellos eine gründliche Putzkraft, was auch immer sie sonst sein mochte. In einem langen Korridor, der zur Küche führte, lagen sich zwei Türen gegenüber. Beide waren geschlossen. Kerstin und Sara probierten jede eine.
    Sara Svenhagen klopfte an und öffnete. Etwas überrascht erblickte sie einen jungen Mann, der gerade an einem Schreibtisch am Fenster saß, sich zu ihr umdrehte und sie erstaunt anstarrte. Hinter ihm konnte sie einen großen Computer erkennen, auf dessen Bildschirm YouTube lief.

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