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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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richtig Feuer und Flamme für etwas gewesen. Andererseits gab es keinen Grund zu gehen. Ich habe gut verdient und hatte eine sichere Anstellung.
    Nicht einmal als die Finanzkrise über uns hereinbrach, so vorhersehbar und doch so unerwartet, war mein Job in Gefahr. Auch nicht, als die Immobilienblase platzte und der Wertpapiermarkt vor den Augen des gesamten Schattenbanksektors implodierte. Ohne zu wissen, wie das zugegangen war, gehörte ich plötzlich zu den alten Füchsen der Bank und war eine der tragenden Säulen. Erst als die Liquiditätskrise zu bedrohlich wurde und Federal Reserve staatliche Gelder in unser Unternehmen zu pumpen begann, begriff ich das Ausmaß des Geschehens. Und als sich der Staat plötzlich weigerte, Lehman Brothers ein Notdarlehen zu gewähren und die traditionsreiche Bank fallen ließ, kapierte ich endlich, dass es beinahe auch uns getroffen hätte. Denn unsere Gelder bestanden ausschließlich aus Krediten, grotesk aufgeblasenen Krediten. Ohne das enorme staatliche Notdarlehen wären wir ebenfalls untergegangen.
    Und dann sah ich während dieser Krisenmonate etwas, das nicht für meine Augen bestimmt war. Ich bin zwar ein Senior der Firma, aber ich bin keinesfalls ein Senior Partner. Ich gehöre nicht den entscheidungsbefugten Organen der Bank an. Daher war es auch nicht beabsichtigt, dass ich das zu Gesicht bekam. Und ich wünsche bei Gott, ich hätte es nie gesehen.
    Ich sah es nur für einen kurzen Moment, es war nicht mehr als ein flüchtiger Blick, der über den Bildschirm eines Computers huschte. Aber der reichte aus.
    Definitiv.
    Ich vermute, dass während der Krise der eine oder andere Chef unachtsamer als gewöhnlich war. Jetzt, wo sich das Blatt gewendet hat und die Blase erneut mit voller Kraft aufgeblasen wird, als wäre sie nie geplatzt, sind die Firewalls und Sicherheitssysteme natürlich wieder aktiv. Aber für einen kurzen Moment öffnete sich vor meinen Augen ein Spalt. Und in diesem Spalt erblickte ich ein Gespenst.
    Oder besser gesagt ein Monster.
    Einen Minotaurus.
    Ich habe niemand anderen, an den ich mich wenden könnte, außer Dich. Es gab eine Zeit, da haben wir alles miteinander geteilt, aber ich darf nicht von Dir erwarten, dass das auch heute noch gilt. Wir leben inzwischen unterschiedliche Leben. Du trägst eine große Verantwortung für Deine Familie – und ich kann mir kaum vorstellen, wie belastend eine derartige Verantwortung sein muss. Denn es ist wohl trotz allem etwas ganz anderes, für Millionen von Dollar verantwortlich zu sein, zumal wenn sie fiktiv sind. Deshalb enthält dieser Brief keinerlei wie auch immer gearteten Forderungen an Dich. Dazu bräuchte ich erst Dein hundertprozentiges Einverständnis.
    Es gibt keinen Theseus, den man ins Labyrinth schicken könnte, bisher habe ich immer alles allein geschafft. Aber noch nie zuvor habe ich mir so intensiv gewünscht, einen Mann an meiner Seite zu haben, einen, der sich hineinwagen würde, um Minotaurus, dem Monster, zu begegnen. Stattdessen wird es Ariadne selbst sein, die sich in die Dunkelheit begeben muss, und Dir, Phädra, meiner Schwester im Geiste, reiche ich das Knäuel. Wenn Du es entgegennimmst, musst Du wissen, dass derjenige, der dem Faden aus dem Labyrinth hinausfolgt, sehr wohl selbst das Monster sein kann.
    Ich schicke Dir diese Mail, weil ich wirklich niemanden habe, an den ich mich sonst wenden könnte. Niemanden. Ich vertraue darauf, dass Du damit umgehen kannst.
    Ich werde Deine Antwort abwarten, bevor ich Dir mehr berichte. Das Knäuel liegt in der Öffnung des Labyrinths. Nimm es an Dich, wenn Du bereit dazu bist. Für mich bedeutet das nur, dass Du weiterhin meine Briefe liest, nicht mehr. Aber solltest Du irgendwann den Eindruck haben, dass Dir der Preis zu hoch wird – ich würde es voll und ganz verstehen.
    Ich liebe Dich, so oder so, dieser Tatsache wirst Du nie entkommen.
    Ich habe mich bereits in das Labyrinth hineinbegeben. Ich hatte keine Wahl. Wahrscheinlich werde ich mich verlaufen, bevor ich ankomme. Aber ich höre schon das Brüllen des Monsters durch die Dunkelheit hallen, und in gewisser Weise klingt es auch wie ein Lockruf.
    Ich warte auf Deine Antwort, meine geliebte Freundin.
    Küsschen von Deiner
    Ariadne

2 – Zischlaute

Endymion
Nacka, Stockholm, 6. April
    Die Fahrbahn zeigte geradewegs nach oben. Es war immer wieder ein erstaunliches

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