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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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zurückkommen. Ich weiß nicht genau, wie bedeutend sie sind. Wenn es hochkommt, sind es Teilerfolge.
    Manchmal muss ich an B denken, der uns doch damals so heftig angebaggert hat, obwohl er bereits zum dritten Mal verheiratet war. Er ist richtig alt geworden, Du würdest ihn kaum wiedererkennen. Die Finanzkrise hat ihn ausgezehrt, mit jedem Tag ist er gealtert. Der Letzte aus der alten Garde der Bankiers, mit dem letzten altmodischen Assistenten, Du erinnerst Dich doch bestimmt an Walter. So hatte ich B jedenfalls bislang wahrgenommen. Der Letzte, dem tatsächlich etwas an Liquidität, Verantwortung und sogar an den Kunden gelegen ist.
    Aber ich habe mich getäuscht. Nicht deswegen ist er so schnell gealtert.
    Es war Bs Computer, auf dem ich damals die Bestie entdeckt habe, die Spur des Minotaurus. Die des Gespensts.
    Aber ich fange am falschen Ende an. Verzeih mir, wenn ich etwas verwirrt wirke. Ich weiß nur nicht so recht, wie ich es beschreiben und logisch erklären soll. Es kommt mir vor, als müsste ich lügen. Denn es ist nicht logisch. Es ist wahr, die Fakten stimmen in der Tat, aber logisch ist es definitiv nicht.
    In der Welt der Schattenbanken gibt es keine Logik, aber das weißt Du ja. Schließlich bist Du eine Eingeweihte.
    Du weißt, dass die Bank ein Notdarlehen erhielt, kurz bevor Federal Reserve sich schließlich weigerte, Lehman Brothers weiter zu unterstützen. Wir standen am Rande des Ruins. So schien es jedenfalls. Aber wir wurden gerettet.
    Und wir schienen eine reelle Chance zu haben, die verhedderten Fäden zu entwirren. Aber dann passierte etwas. Ich weiß nicht, was. Es kam zu neuerlichen Turbulenzen. Wieder Krise.
    Diese Geschwindigkeit. Diese extremen Umschwünge. Aber ich verstehe nicht, warum Geschwindigkeit heutzutage Intelligenz ausschließen muss. War es nicht bis vor Kurzem noch genau andersherum? Je schneller, je cleverer. Jetzt sind wir gewissermaßen nur noch schnell.
    Und es ging verdammt schnell. Als ich Dir letztlich schrieb, ahnte ich noch nichts davon, aber wir lebten quasi auf Pump. Dann wurde die Liquidität erneut untergraben. Unklar, wodurch. Eine Welt der Gerüchte. Eine negative Spirale des Misstrauens, das Mekka der Massenpsychologie. Schlimmer noch als religiöser Fanatismus.
    Was ist nur mit mir los? Ich spiele dieses Spiel doch schon so lange. Es ist meine Welt. Eigentlich fand ich nie etwas dabei. Die Wirtschaft muss vorangetrieben, die Gelder verwaltet werden. Man muss die Reichtümer hüten. Das ist der Lebensnerv der kapitalistischen Wirtschaft. Alles muss sich weiterentwickeln, vermehren, anhäufen, aufstocken. Seit zweihundert Jahren, nein, schon immer haben wir so gedacht, lange bevor es den modernen Kapitalismus gab. Auf diese Weise haben wir uns weiter entwickelt als unsere Eltern. Es ging darum, mehr zu können, mehr zu wissen, mehr zu lernen, mehr zu verdienen. Mehr zu wollen. All das war ganz natürlich für mich. Harvard business, der Finanzmarkt als Dreh- und Angelpunkt der Wirtschaft, das Kapital als Sauerstoff im Blutkreislauf der Gesellschaft. Und wir sind so viele, die niemals werden umdenken können. Ich weiß nicht einmal, ob ich es jetzt kann. Aber immerhin geht mir so langsam das eine oder andere Licht auf.
    Wir waren so blauäugig, und das ist noch eine freundliche Umschreibung. Dabei haben wir es gewusst, aber wir haben es bagatellisiert. Wir waren der Meinung, dass das das Wesen des Kapitalismus sei: Der Stärkere gewinnt. Und um als Sieger aus dem Kampf hervorzugehen, muss man eben über die eine oder andere Leiche gehen. Unser Weltbild ist nicht durch Moral, sondern durch Macht geformt worden.
    Wir haben das Verbrechen regelrecht gelebt. Das Verbrechen, das schon so lange existiert.
    Dass Kapital anwachsen würde, war schon immer mit einer gewissen Form des Selbstbetrugs verbunden. Gelder können nicht einfach wachsen, nicht von selbst, sie müssen irgendwoher genommen werden. Das wissen wir alle. Wir wissen nur zu gut, dass wir uns fremdes Kapital einverleiben.
    Aber jetzt werde ich philosophisch. Das war nicht meine Absicht. Denn das, wovon ich schreiben will, ist äußerst konkret.
    Jetzt ist die dritte Märzwoche, meine Liebe. Seit Kurzem läuft es wieder miserabel für die Bank. Es gibt keine öffentliche Stellungnahme, aber Gerüchte. Ich schnüffle mich gewissermaßen in der flüsternden Mundhöhle bis zum Atem des Managements durch.

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