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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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auch nur den Kopf zu drehen, um die anderen anzusehen. Ein Dutzend Köpfe saßen wie festgenagelt auf ihren Hälsen.
    Aus dieser Starre heraus war eine leise, dünne Stimme zu vernehmen: »Es hat mit London zu tun, oder?«
    Paul Hjelm wandte sich Jutta Beyer zu und fragte: »Inwiefern?«
    Â»Ansonsten hättest du uns diesen Fall niemals übertragen. Es muss um die Zukunft der Gruppe gehen.«
    Â»Das tut es auch. Aber das ist im Augenblick nebensächlich. Im Moment ist es wichtig, dass ihr euch mit schonungsloser Aufrichtigkeit selbst fragt, wem ihr es erzählt haben könntet, der es daraufhin ausgeplaudert hat. Das ist alles.«
    Immer noch diese merkwürdige Starre, diese Angst, die anderen direkt anzuschauen. Paul Hjelm fasste einen Entschluss. Er würde sie noch einmal auffordern und dann nie wieder.
    Â»Nun kommt schon, einer von euch erinnert sich. Das ist die letzte Chance.«
    In dem Moment sah er es. Er sah die Blässe, die sich in einem der Gesichter ausbreitete.
    Â»Jesus im Himmel«, flüsterte Marek Kowalewski.
    Da erst drehten sich die Köpfe: in seine Richtung. Alle Blicke richteten sich auf ein Gesicht, das immer blasser wurde.
    Â»Es war ein ... zufälliges Zusammentreffen ...«, stammelte Kowalewski.
    Â»Sag es laut, damit es alle hören«, forderte Hjelm ihn auf. »Von jetzt an wird die Opcop-Gruppe keine beruflichen Geheimnisse mehr voreinander haben.«
    Â»Es ist noch nicht einmal ein Geheimnis«, entgegnete Kowalewski gereizt. »Ich hatte es nur völlig vergessen. Es war während einer Konferenz in Krakau. Ich erfuhr, dass ich diesen Job hier bekommen hatte, und war ganz einfach glücklich. Ich habe ein Mädel in der Hotelbar kennengelernt, und später, im Bett, fragte sie mich, warum ich so glücklich sei. Ich antwortete natürlich, weil sie eine phantastische Frau sei, aber sie hakte nach. Dann habe ich es ihr erzählt. Ich erinnere mich allerdings nur sehr vage.«
    Â»Erstens«, hakte Paul Hjelm nach, »gibt es einen Grund anzunehmen, dass irgendetwas an ihr faul war? Und zweitens, was hast du genau gesagt?«
    Marek Kowalewski legte die an die Farbe eines Lakens erinnernde Stirn in tiefe Falten. »Sie hieß Mara, daran erinnere ich mich noch. Aber eigentlich an nicht viel mehr. Außer dass sie in der Tat eine phantastische Frau war.«
    Â»Professionell phantastisch?«, fragte Hjelm kritisch.
    Kowalewski schwieg.
    Â»Sie hat nichts dafür verlangt, wenn es das ist, was du wissen willst«, sagte er schließlich. »Und sie schien es richtig zu genießen. Hat keine merkwürdigen Fragen gestellt. Schien ein ganz normales Mädel zu sein.«
    Â»Polin?«
    Â»Ja. Eine moderne Polin. Aber mehr weiß ich nicht. Hab keinen Blick in ihren Pass geworfen, wenn ich das so sagen darf.«
    Â»Und wie hast du es formuliert? Wörtlich?«
    Es schien Kowalewski körperliche Schmerzen zu bereiten, sich zu erinnern. Schließlich presste er hervor: »Sie fragte mich, warum ich so glücklich sei. Ich antwortete, weil sie eine phantastische Frau sei. Aber sie meinte, hör doch auf, da ist doch noch etwas anderes. Du warst vorher schon glücklich. Ich habe einen neuen Job bekommen, hab ich gesagt, einen Job, von dem ich schon immer geträumt habe. Also nicht mehr als Bulle?, fragte sie. Doch, sagte ich, aber als modernerer Bulle. Bei Europol in Den Haag. Und was macht man da so?, fragte sie. Internationale Verbrecher jagen, sagte ich. Und wie?, fragte sie. Wir werden eine kleine operative Einheit bilden, sagte ich, das wird verdammt spannend. Danach haben wir, glaube ich, noch mal gebumst.«
    Â»Keine weiteren Fragen?«, wollte Hjelm wissen.
    Kowalewski rieb sich die Stirn, die immer noch kreidebleich war. »Soweit ich mich erinnere, nicht.«
    Â»Hat sie denn die Worte ›operative Einheit‹ verstanden?«, fragte plötzlich Lavinia Potorac in ihrem ziemlich gebrochenen Englisch. »Selbst ich versteh das ja kaum. Also auf Englisch.«
    Â»Es schien eher, als würde sie darauf pfeifen«, antwortete Kowalewski. »Sie verlor das Interesse. Wollte etwas anderes.«
    Â»Wie dem auch sei«, sagte Paul Hjelm und sah hinunter auf einen Stapel Papiere, den er in der Hand hielt, »genauso stand es jedenfalls auf einem kleinen Zettel, der in einem Röhrchen im Enddarm einer ermordeten Frau in Hampstead Heath im Norden von London steckte. ›An die

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