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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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vier bereits ausgeflogen waren. Seine Ehefrau Anja war zum Glück ein Standvogel und dennoch recht flexibel. Dank des Internets konnte sie sich jetzt von Den Haag aus weiterhin Steuererklärungen und steuerrechtlichen Aufgaben widmen, wie sie es ihr Leben lang getan hatte, ohne davon genug zu bekommen. Sie würde sich in der neuen Wohnung in der beschaulichen Innenstadt von Den Haag wohlfühlen, denn es fiel ihr leicht, sich wohlzufühlen, solange sie ungestört Basilikum züchten konnte. Und Lina würde sich wahrscheinlich auch gut einleben, trotz ihrer fünfzehn Jahre und ihrer heftigen Proteste gegen den Umzug, weil sie ihre Klasse im letzten Jahr der Gesamtschule verlassen musste. Dabei hatte sie sich in dieser Klasse eigentlich nie besonders wohlgefühlt. Sie war wechselhaft wie das Aprilwetter draußen vor dem Fenster, und in der Internationalen Schule würde sie nicht nur die Möglichkeit bekommen, neue und weniger destruktive Freunde zu finden, sondern auch ihre mittelmäßigen Noten zu verbessern, damit sie aufs Design-Gymnasium gehen konnte, von dem sie heimlich träumte. Söderstedt hatte nämlich die Angewohnheit, systematisch ihre geheimen Notizen durchzusehen. Dass dies offenbar seine einzige Möglichkeit war, in der Gefühlswelt seiner jüngsten Tochter auf dem Laufenden zu bleiben, hätte eigentlich ein Alarmsignal für ihn sein müssen. Aber auf Alarmglocken reagierte Arto Söderstedt nicht. Er hörte nicht einmal auf das lautstarke Läuten, das ertönte, als seine zahlreichen Argumente, weshalb die Familie sich in Den Haag wohlfühlen würde, etwas Panikartiges anzunehmen begannen. Er gestand sich schlicht und einfach zu, mit seinem Leben zufrieden zu sein. In der grenzenlosen Söderstedt’schen Art und Weise.
    Aber es gab ein störendes Element in dieser Idylle. Das ihn manchmal heimsuchte. Immer öfter, um ehrlich zu sein. Wie fest er seinen physischen oder mentalen Mantel auch immer um seinen Körper zog, es drang hindurch. Es war der eisige Februarwind aus Glencoe. Der beißende Wind des Verrats. Und mit ihm tauchte ein Chinese auf, aus dessen Mund Blut in Artos Ohr spritzte.
    Als wäre eine Anzahl von chinesischen Zeichen in sein Trommelfell tätowiert worden, die zu entziffern ihm nicht gelang.
    Es war nämlich äußerst schwierig, in sein eigenes Ohr zu schauen.
    Aber das konnte auch kein anderer für ihn tun. Der klein gewachsene Mann hatte alles auf eine Karte gesetzt, und diese Karte hieß Arto Söderstedt, und es war zum Teufel noch mal Arto Söderstedts Pflicht, herauszufinden, was der Chinese hatte sagen wollen. Da konnte nicht einmal Paul Hjelm etwas gegen ausrichten.
    Paul Hjelm, dessen Abwesenheit erneut mit einem raschen Blick von Jutta Beyer betrauert wurde.
    Ohne die Hände aus dem Nacken zu nehmen, sagte Söderstedt: »Du wirst schon ohne ihn klarkommen.«
    Als Jutta Beyer errötete, ertappte sich Söderstedt dabei, sie mit seiner ältesten Tochter Mikaela zu vergleichen. Es lagen gar nicht so viele Jahre zwischen ihnen. Aber Welten an Selbstwertgefühl. Mikaela war eine aufstrebende Sozialökonomin in einer Finanzfirma in Stockholm. Das war ihr Protest gegen ihre etwas unstrukturierten und politisch linkslastigen Eltern. Söderstedt fragte sich, ob Jutta Beyer jemals gegen ihre Eltern aufbegehrt hatte. Vor seinem inneren Auge sah er ein älteres norddeutsches Ehepaar mit Ökoschuhen, Funktionskleidung und Topfhaarschnitten. Dann fiel ihm auf, wie ungerecht er war.
    Â»Du hast meine Frage noch nicht beantwortet«, insistierte Beyer, als sie sich wieder gefasst hatte.
    Â»Weil ich nicht mehr weiß, wie die Frage lautete«, entgegnete Söderstedt aufrichtig und nahm die Hände aus dem Nacken.
    Â»Hast du schon irgendetwas über das Konto auf den Caymaninseln herausgefunden, von dem die Gelder kamen, die Endymion vor der Insolvenz bewahrt haben?«, fragte Beyer in aller nur wünschenswerten Deutlichkeit.
    Â»Ach ja«, antwortete Söderstedt und wandte sich wieder der tristen Gegenwart zu. »Wie man mir mitgeteilt hat, wird die Bank sich zwischen elf und zwölf Uhr bei mir melden. Jetzt ist es zehn nach elf. Ich erwarte also umgehend ihren Anruf.«
    Â»Denn Navarro hat ja gesagt, dass er zumindest ein paar Mafiaoperationen mit dieser Bank in Verbindung bringen kann.«
    Â»Was ein gutes Zeichen ist«, pflichtete Söderstedt ihr

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