Gier
immerhin ein alter Mann«, meinte Tebaldi. »Das passiert ganz einfach, wenn man die fünfzig überschritten hat und zu viel belgisches Bier trinkt.«
»Die fünfzig«, rief Chavez aus. »Ich muss doch sehr bitten.«
»Bedeutet nicht twaalf zwölf?«, fragte Sifakis. »Acht ist achtprozentig, Zes sechsprozentig, aber warum ist Twaalf zehnprozentig?«
»Hör nicht auf die unsensiblen Schweden«, sagte Lavinia Potorac und legte Laima Balodis eine Hand auf die Schulter. »Du bist perfekt, wie du bist.«
»Ich habe auch nichts anderes behauptet«, rechtfertigte sich Chavez und warf Balodis einen unsicheren Blick zu. »Du bist perfekt, wie du bist, Laima.«
»Und das ist deine Frau auch«, merkte Potorac gehässig an. »Die gerade in Stockholm sitzt und einen gewissen Unternehmer vernimmt. Sie schuftet und schuftet, während du dich herumtreibst und dich mit weiblichen Singles aus ganz Europa amüsierst.«
»Keine Arbeitsgespräche«, wiederholte Sifakis in kühlem Ton.
»Also keiner, der etwas essen will?«, fragte Laima Balodis seufzend.
»Was gibt es eigentlich für holländische Gerichte?«, fragte Frau Navarro in untadeligem Englisch.
»Zeven heiÃt doch sieben, oder?«, fragte Sifakis nach.
»Zeven?«, fragte Arto Söderstedt.
»Hör doch auf«, ermahnte ihn Anja Söderstedt.
»Sie sollten vielleicht mal Stamppot mit Rookworst probieren«, empfahl Tebaldi. »Das ist ein Eintopf mit Kartoffeln und Wurst. Besser wirdâs hier oben im Norden nicht.«
»Aber Rookworst ist eine sehr gute Wurst«, sagte Balodis. »Ich glaube, das werde ich nehmen. Mit Wortelstamppot.«
»Wortel?«, fragte Söderstedt und verzog das Gesicht, als hätte ihm jemand einen Tritt gegens Schienbein verpasst.
»Stampfkartoffeln mit Möhren«, verdeutlichte Balodis. »Erstaunlich lecker. Aber ich komme ja schlieÃlich aus dem ehemaligen Ostblock.«
»Mein Mann hat bisher ausschlieÃlich in spanischen Restaurants gegessen, seit er in Den Haag ist«, enthüllte Frau Navarro. »Er ist in dieser Hinsicht keine groÃe Hilfe.«
Felipe Navarro richtete den Knoten seiner Krawatte und runzelte die Stirn.
»Aber er scheint bereits diverse Trappistenbiere probiert zu haben«, entgegnete Chavez.
»Er negiert seine romanischen Wurzeln und bildet sich ein, dass er Gote ist«, sagte Tebaldi. »Dementsprechend hat er auch keine Probleme damit, Chimay zu Paella zu trinken. Cross Kitchen in seiner ekelhaftesten Form.«
»Ich habe doch nur gesagt, dass ich gotische Wurzeln habe«, verteidigte sich Navarro missmutig, »und das bereue ich zutiefst. Fabio darf man nichts anvertrauen. Früher oder später rächt es sich und beiÃt einen in den Arsch.«
»In den gotischen Arsch«, ergänzte Chavez. »Ich persönlich liebe Curanto en hoyo mit einem schwedischen Schnaps dazu. Am liebsten Skåne Aquavit.«
»Aber was Sie wirklich mal probieren sollten«, fuhr Tebaldi fort und hielt mit dem Blick auf Frau Navarro gerichtet kurz inne. »Verzeihung, wie war noch einmal Ihr Name?«
»Sag ihm nichts«, brummte Navarro und warf einen raschen Blick auf die beiden muskelbepackten Leibwächter, die neben dem Tisch in Habtachtstellung standen.
»Felipa«, antwortete Frau Navarro. »Felipa Navarro.«
»Wie lustig«, rief Anja Söderstedt aus. »Felipe und Felipa.«
Tebaldi betrachtete sie eine Weile ganz neutral und fuhr dann fort: »Was Sie wirklich probieren sollten, Felipa, ist Haring.«
»Hör nicht auf ihn«, sagte Navarro. »Er ist verrückt.«
»Haring?«, fragte Frau Navarro interessiert.
»Roher Fisch«, erklärte Tebaldi. »Man nimmt die Schwanzflosse, legt den Kopf in den Nacken â seinen eigenen, nicht den des Fisches â und lässt den Fisch sachte in den Mund und dann die Kehle hinuntergleiten. Wird mit rohen Zwiebeln serviert.«
»Oh«, meinte Felipa Navarro und erschauderte.
»Ich hab doch gesagt, er ist verrückt«, wiederholte Navarro. »Selber schuld.«
»Noch weitaus besser als Criadillas«, warf Tebaldi nonchalant ein.
»HeiÃt das also, dass keiner vorhat, etwas zu essen?«, versuchte es Laima Balodis erneut.
»Arto und Anja ist doch auch ganz lustig, oder?«, fragte Söderstedt.
»Nicht besonders«, antwortete seine Ehefrau
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