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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Festtag folgt leider ein Arbeitstag, selbst auf unser Fest ;-) Ich hoffe, deiner Frau und den Kindern geht es gut. Ich habe nur eine kurze Frage. Was kannst du mir über Mark Payne und David Coleman sagen? Sie haben das Begleitfahrzeug gefahren, das beim G20-Gipfel am 2. April einen bisher noch nicht identifizierten Asiaten überfahren und getötet hat.«
    Jutta Beyer war sich nicht ganz sicher, ob das der richtige Tonfall war. Sie las das Ganze noch einmal. Ihre Lippen bewegten sich schwach im bläulichen Schein des Computers, der einzigen Lichtquelle in der dunkel daliegenden Bürolandschaft. Sie erinnerte sich daran, wie sie den anderen bis zur Tür gefolgt war und dann plötzlich diese Eingebung bekommen hatte. Nach einer kurzen vorgeschützten Erklärung an Angelos Sifakis hatte sie kehrtgemacht und war in das verlassene Europolgebäude zurückgegangen.
    Diese Eingebung. Die sie plötzlich hatte.
    Man sollte nichts unversucht lassen. Oder wie hieß es doch gleich?
    Also der Tonfall, der Tonfall. Tony Robbins war ein verhältnismäßig junger Polizeibeamter, den sie während einer Konferenz kennengelernt hatte, wo sie Gefallen an ihm gefunden hatte. Die Art von Gefallen, die jeglicher Perspektive entbehrt und nicht länger als ein paar Stunden überlebt. Das kam ihr ausgesprochen bekannt vor. Genauso wie die Tatsache, dass sie unmittelbar ausmachen konnte, ob ein Mann verheiratet war. Sie hatte eine fatale Vorliebe für solche Männer. Aber nie zuvor hatte sie es ausgenutzt.
    Bisher.
    Sie hatte nicht vor, ihm zu drohen, und dennoch sollte der Text ein wenig wie eine unausgesprochene Warnung klingen, eine Erinnerung daran, wer von ihnen etwas zu verlieren hatte. Nun fand sie, dass die Warnung in angemessener Weise herausklang, woraufhin sie, von einem flüchtigen Unbehagen erfasst, die Nachricht abschickte.
    Robbins antwortete umgehend: »Ich gehe davon aus, dass es sich hier nicht um eine formelle Anfrage von Europol handelt, Jutta?«
    Apropos Tonfall. Wie sollte man jetzt seinen Tonfall deuten? Irritation? Oder war er ganz neutral? Eine kleine Machtdemonstration? Eher nicht. Sie antwortete so entgegenkommend wie möglich: »Sie ist in keiner Weise formell. Und fühle dich bitte nicht verpflichtet. Auch wenn ich dir deinen Einsatz sehr hoch anrechnen würde.«
    Â»Ich stelle gerade fest, dass wir bereits einen vollständigen Bericht über den Vorfall an jemanden mit dem Namen Sadestatt bei Europol geschickt haben.«
    Â»Das ist mein Kollege, Arto Söderstedt. Ich verfolge das Ganze nur gerade weiter. No worries.«
    Â»Okay, ziemlich ruhig hier heute Abend. Ich schau mir die Sache mal näher an und melde mich in Kürze wieder.«
    Â»Danke, Tony. Die Nacht in Koblenz hat einen besonderen Platz in meinem Herzen.«
    Â»Bist du sicher, dass der Platz sich in deinem Herzen befindet, Darling? ;-)«
    Nein, dachte Jutta Beyer, nicht im Herzen. Genau genommen nirgendwo. Sie hatte die Nacht in Koblenz sogar schneller vergessen als ihre sonstigen One-Night-Stands. Robbins war ein unsensibler und selbstsüchtiger Liebhaber, wohingegen sie mehr denn je von der großen Liebe träumte, die ihr Leben auf den Kopf stellen würde. Allerdings suchte sie die immer wieder und gewissermaßen zielgerichtet am falschen Ort, als würde sie befürchten, ihr ernstlich begegnen zu können.
    Aber dieser Lückenbüßer arbeitete am richtigen Ort. Es war ihr in genau dem Moment eingefallen, als die eisigen Regentropfen des nasskalten Den Haager Abends auf ihre Stirn fielen wie eine kalte Dusche. Sie hatte auf dem Absatz kehrtgemacht, und nun saß sie hier. Es würde eine lange Nacht werden, während Robbins die Myriaden von Dateien der Operation Glencoe durchsuchte. Sie stellte sich auf eine lange Wartezeit ein.
    Und während Jutta Beyer sich in einer eigenartigen Selbstreflexion verlor, in der sie vor allem ihre Angst vor der großen Liebe zu analysieren versuchte, die praktisch gesehen auch ihr begegnen konnte, klingelte das Telefon. Sie musste also doch nicht lange warten. Die Nummer auf dem Display sagte ihr nichts, also nahm sie an, dass es Robbins war, auch jetzt genauso schnell wie im Bett des Koblenzer Hotelzimmers.
    Er war es aber nicht.
    Es war Marek Kowalewski. Es dauerte einen Moment, bis sie seine Stimme wiedererkannte. Sie klang völlig verändert.
    Â»Jutta«, flüsterte er. »Ich brauche ziemlich

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