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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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darunter hervorlugte, war ein stark bandagierter Kopf. Aus einem Spalt zwischen den dicken Mullbinden fixierte ihn ein Paar erstaunlich klarer brauner Augen.
    Sie sahen ihn ziemlich ungnädig an.
    Â»Ich habe sogar gehört, dass sie da drinnen waren«, sagte Miriam Hershey. »Es ist purer Wahnsinn, dass ich mich habe überrumpeln lassen.«
    Â»Denk jetzt nicht mehr daran«, sagte Hjelm. »Das meiste, was wir tun, ist in gewisser Weise wahnsinnig. Nicht zuletzt die Tatsache, dass ich nicht selbst hochgegangen bin, sondern euch geschickt habe. Ich habe schließlich geahnt, dass etwas faul war.«
    Â»Und was sagt Jutta?«, fragte Hershey.
    Â»Sie gibt sich natürlich die Schuld. Genau wie du. Aber ihr seid beide unschuldig. Das war nicht zu erwarten gewesen.«
    Â»Und dennoch hast du es geahnt?«
    Hjelm lachte auf. Er musste plötzlich an seine Tochter Tove denken, wie sie aufgrund ihrer Magersucht fast im Sterben lag. Sie war nur noch Haut und Knochen gewesen. Absurderweise setzte ihm die Situation hier genauso zu. Dabei war Miriam Hershey eine durchtrainierte ehemalige MI5-Agentin, die mehr als jeder andere in dem gesamten Glas- und Metallpalast von New Scotland Yard auf Situationen trainiert war, in denen sie angegriffen werden konnte.
    Und dennoch hatte er dieses schlechte Gewissen, diese Schuldgefühle. Die aber vermutlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein waren verglichen mit Jutta Beyers Ozean an Gewissensqualen.
    Â»Du hast Dryden das Leben gerettet«, sagte er, ohne ihre Frage zu beantworten. »Ohne dich wäre er verblutet. Das ist das Einzige, was in diesem absoluten Chaos klar ist.«
    Â»War es nicht die Rechtsmedizinerin, die ihn gerettet hat? Ich erinnere mich noch daran, wie sie aufgetaucht ist, bevor ich zu allem Übel bewusstlos wurde.«
    Â»Wenn man bedenkt, wie stark deine Gehirnerschütterung ist, grenzt es an ein Wunder, dass du überhaupt lange genug bei Bewusstsein warst, um Ralph am Leben zu erhalten. Ganz zu schweigen von der außergewöhnlichen Tatsache, dass du jetzt bei Bewusstsein bist.«
    Â»Ich bin eben durchtrainiert«, entgegnete Hershey. »Oder war es zumindest.«
    Â»Bevor du zur Opcop-Gruppe gestoßen bist.«
    Hershey gab ein grauenerregendes Geräusch von sich, das vermutlich ein Lachen darstellen sollte. Hjelm nutzte die Gelegenheit, um den Blumenstrauß rasch am Fußende auf dem Bettlaken abzulegen, dann erklärte er: »Als du bewusstlos wurdest, hat Dr. Hazel Mallory in der Tat die lebensrettenden Maßnahmen fortgesetzt. Man kann sagen, dass ihr euch diese Aufgabe schwesterlich geteilt habt.«
    Â»Und du warst natürlich derjenige, der den Geistesblitz hatte, sie möglichst schnell aus dem Keller zu holen?«
    Hjelm zuckte mit den Achseln und ertappte sich irritiert dabei, wie er auf die Uhr sah. Es war Samstagvormittag, kurz nach neun. Normalerweise würde im Gebäude von New Scotland Yard nun eine gewisse Wochenendruhe herrschen. Aber dem war nicht so. Hjelm war die ganze Nacht über von einem Meeting zum nächsten gehechtet, wo er mit den Fragen diverser aufgebrachter Repräsentanten konfrontiert wurde. Wie hatte das nur geschehen können? Ein Chief Inspector im Herzen des Polizeigebäudes angeschossen. In dieser stark bewachten Festung. Völlig absurd.
    Einer der aufgebrachtesten und hochrangigsten Repräsentanten hatte außerdem – im Affekt – eine Anklage gegen Europol erhoben. Ein tödlicher Virus hatte sich in die britischste Instanz des Urbritischen eingeschlichen. Man hätte Europol nie ins Gebäude einziehen lassen dürfen. Stümperhafte und inkompetente Polizisten ohne jegliche operative Erfahrung hätten dafür gesorgt, dass nun der Teufel los sei. Hjelm ließ die Angriffe über sich ergehen, ohne auch nur im Entferntesten daran zu denken, sich zu verteidigen. Er wollte eigentlich nur noch weg. Da war es fünf Uhr morgens, und er war todmüde.
    Ralph Dryden war noch in der Nacht operiert worden. Die Kugel steckte in seiner rechten Lunge. Er hatte viel Blut verloren, aber er würde wieder gesund werden. Dank zweier geistesgegenwärtig handelnder Frauen.
    Â»Und dieser Chief Superintendent Anthony L. Robbins ist also verschwunden?«, fragte Hershey mühsam.
    Â»Wenn man eine schwere Gehirnerschütterung hat, muss man sich eigentlich nicht unbedingt an alle Namensinitialen erinnern«, antwortete Hjelm.

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