GIERIGE BESTIE
einer Sinuskurve darstellen lassen, wie selbst der Volksmund meint, dass nach jedem Gewitter wieder Sonnenschein folgt, so werden all jene, aus Unkenntnis oder auch Unvermögen einer anständigen Behandlung von Untergebenen, eines Tages erkennen, dass ihre Betrachtungsweise doch sehr kurzsichtig war. Aber die Zeit ist schnelllebiger, die Technik ausgefeilter, die Anzahl der Informationen, die wir heute binnen kürzester Zeit erhalten können, ist tausend Mal höher als noch vor dreißig Jahren. Es gilt dieser Herausforderung gerecht zu werden, denn wenn ältere Menschen die Sprache der Bits und Bytes nicht verstehen, dann vielleicht nicht deshalb, weil sie es nicht wollen, sondern weil sie es nie gelernt haben. Und wenn auch nicht alle jungen, aufstrebenden, wissbegierigen Menschen im Endeffekt als DINKS („Double income no kids“) enden, sondern sich der ganz natürlichen Hingabe einer Familiengründung oder einer vernünftigen Freizeitgestaltung ebenso widmen wollen wie einer adäquaten Ausbildung und einem beruflichen Erfolg, dann sollte das keinesfalls zu einem seltsamen Unikat in einer Institution werden. Leistung ist viel, aber nicht alles. Und irgendwie war ich es auch müde, mich zum stillen Mithelfer all jener machen zu lassen, die den Umstand der drohenden Katastrophe für ihren eigenen persönlichen Vorteil nützen wollten.
Nein, diese Sitzung, die El Presidente um sieben Uhr morgens einberufen hatte, zu der die meisten, wenn auch nicht alle, die an der letzten Sitzung teilgenommen hatten, gekommen waren, stand für mich unter einem großen Titel: Prävention. Ich wollte den Umstand der drohenden Katastrophe und die persönliche Einladung, in dieser Situation einen Beitrag leisten zu dürfen, dazu nützen, all jenen, die es interessierte, ein bisschen mehr über die präventiven Möglichkeiten zur Verhinderung derartiger Fälle mitzugeben. Ich wollte einfach zusammenfassend aufzeigen, dass eine falsche Kompetenzverteilung, eine unglückliche oder teilweise bewusst fehlgeleitete Kommunikation oder zu hektisch angeordnete Veränderungen ebenso ein kleines Bausteinchen im Mosaik von destruktiven Verhaltensweisen sein kann, wie der Umstand, dass ein Mitarbeiter sich körperlich zu verändern beginnt, was ein untrügliches Anzeichen dafür sein kann, dass er sich im Büro, im beruflichen oder privaten Umfeld nicht mehr wohl fühlt. Ich habe es zu oft erlebt, dass mir Vorstandsdirektoren und Personalchefs, Chief Financial Officers oder Abteilungsleiter in sehr deutlicher Art und Weise zu verstehen gaben, dass private Probleme am Arbeitsplatz nichts verloren hätten. Ich wollte darstellen, dass diese Einstellung relativ naiv ist, denn das würde gleichzeitig bedeuten, dass berufliche Probleme im privaten Umfeld ebenfalls nichts verloren haben. Was, wie mir jeder halbwegs ehrliche und dem beruflichen Einsatz wohlwollend gegenüberstehende Mensch bestätigen wird, nahezu unmöglich ist. Und ich wollte in einer nicht zu überbietenden Deutlichkeit aufzeigen, dass das Wort Mobbing nicht der Lebensinhalt von ein paar Sozialromantikern ist, sondern eine ernste, schwerwiegende, ja teilweise sogar strafrechtliche Handlung darstellt, die mit Nachdruck aufgezeigt und geahndet werden soll.
Es wurde gearbeitet, geschrieben und skizziert. Es wurden Arbeitsgruppen gebildet, Zusammenhänge erkannt, fiktive Personalakten angelegt, um zu erkennen, dass bereits beim Eintrittsgespräch sehr viele und wertvolle Informationen mit dem zukünftigen Mitarbeiter besprochen werden können. Es wurden anonymisiert Fallbeispiele gebracht und es wurde alles in allem so intensiv gearbeitet, dass ab einem gewissen Zeitpunkt der Eindruck entstand, die Problemstellung mit Ello Dox wäre bereits Geschichte – was sie aber nicht war. Wie ein Damoklesschwert, wie eine dunkle Gewitterwolke, die nicht näher rücken will, sich ebenso wenig auf Wunsch vertreiben ließen, war folgender Umstand: Wo immer man hinkam, mit wem man auch immer in der Pause ein kurzes Gespräch führte, welche zusätzlichen Informationen auch immer eingebracht wurden, die bange Frage: Wann passiert es?
Der Schein, dass man den Fall schon vergessen hatte, trog. Er war präsent. Aber eines war auch klar: Ello Dox hatte mit der Tatsache, dass er zunächst nur eine Möglichkeit aufzeigte, bereits etwas ausgelöst. Er hatte die Drohung nicht umgesetzt, noch nicht, und bereits jetzt wurde fieberhaft daran gearbeitet, Ursachen zu erkennen und nicht nur, wie man anfänglich
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