Gift und Geld
intellektuell, aber mit all diesen
wundervollen Untertönen unerschöpflicher männlicher Vitalität; dann Peggy Lee
als Krönung, mit Blues von solcher Perfektion, daß sie garantiert Mona zu Fall
bringen würden — während ich bereitstand, sie aufzufangen.
Als
die erste Platte zu spielen begann, ging ich zur Couch zurück und setzte mich
nahe, aber nicht allzu nahe zu Mona. Sie nippte an ihrem Glas und betrachtete
mich dann nachdenklich.
»Wie
bezeichnen Sie das hier?«
»Als
apart«, sagte ich. »Und Sie?«
»Ich
werde es Ihnen später sagen.«
Fünf
Minuten später fügte sie ihr leeres Glas zu meinem. Ich goß uns neue Gläser
ein, und in ihren Augen lag ein träumerischer Ausdruck, als ich zur Couch
zurückkehrte.
»Eben
ist mir eingefallen, woran Sie mich erinnern«, sagte ich ihr. »An einen
Sonnenuntergang im Grand Canyon: dieses wahnsinnig rote Haar mit dem schwarzen
Satin darunter.«
» Schscht !« zischte sie energisch.
»Was
habe ich denn gesagt?«
»Ich
höre zu«, sagte sie mit hingegebener Stimme. »Ich bin ein echter HiFi -Fan, und von dieser Platte bin ich ganz weg.«
»Keine
Unterhaltung?« fragte ich.
»Keine
Unterhaltung«, bestätigte sie.
Ich
wartete noch zwei Minuten und unternahm dann eine kleine Umfassungsbewegung — nur
zur Erkundung, bevor ich mit dem Frontalangriff begann. Die Sorte Unternehmung,
die man in diplomatischen Kreisen als »vereinzeltes Gefecht« oder »leichten
Grenzzwischenfall« bezeichnet. Bevor ich indessen noch Zeit fand, das
Umklammerungsmanöver auszuführen, kehrte meine Hand mit plötzlicher Heftigkeit
und ohne eigenen Antrieb zu mir zurück.
»Und
auch keine Fußarbeit«, sagte Mona kalt.
Ungefähr
eine Stunde und drei Drinks später hatte Peggy Lee ihren letzten Blues
gesungen, und als einziges Geräusch blieb das leise Summen der fünf in die Wand
eingebauten Lautsprecher.
»Das
war grandios!« Mona seufzte ekstatisch. »Spielen Sie noch ein paar Platten,
Al!«
»Ich
habe im Augenblick keine mehr«, sagte ich verzweifelt. »Die restlichen sind
noch in der Reinigung.«
»Das
ist ein Jammer!« Sie schüttelte in leicht alkoholisierter Übertreibung den
Kopf. »Aber vielleicht ist es ganz gut so — es wird allmählich spät, und ich
sollte nach Hause gehen.« Sie lächelte mir voller Wärme zu. »Vielen Dank für
den reizenden Abend, Al — es hat mir solches Vergnügen gemacht!«
»Klar«,
sagte ich mürrisch. »Solch nettes, reines Vergnügen.«
»Ich
muß schlafen«, sagte sie entschuldigend. »Sie wissen ja, wie es einem geht,
wenn man arbeiten — und morgens früh aufstehen muß.«
»Hm«,
brummte ich. »Es ist wohl sehr anstrengend, bei einem Strafverteidiger zu
arbeiten, was?«
»Es
ist sehr interessant«, sagte sie in beiläufigem Ton.
»Sagen
Sie mir eins — das hat mich schon von jeher interessiert: Wenn ein Mandant in
die Gaskammer kommt, kriegt er dann sein Geld zurück?«
Sie
schauderte zart. Dann wurde sie sich des leeren Glases in ihrer Hand bewußt und
streckte es mir hin. »Ich möchte noch gern einen für den Heimweg haben.«
Sie
bekam ihr Glas so schnell wieder gefüllt zurück, daß der Whisky noch außer Atem
war. Ich sank wieder neben ihr auf die Couch, mein eigenes Glas mit nervöser
Hand umklammernd.
»Danke«,
sagte sie zerstreut. »Wissen Sie, Mr. Berkeley ist ein seltsamer Boss. Ich
mochte den armen Mr. Miller wesentlich lieber.«
»Berkeley
ist ein nervöser Bursche — jedesmal wenn ich mit ihm
redete, zuckte er unentwegt mit dem Gesicht«, sagte ich. »Diese Nervosität paßt
nicht zu einem Strafverteidiger. War er schon immer so?«
»Ich
weiß nicht«, sagte Mona bereitwillig. »Ich fing an dem Tag, als Rita Keighley wegging, dort an und habe die meiste Zeit über für
Miller gearbeitet.«
»Er
sollte Shafer vor diesem Spielbankenausschuß vertreten, nicht wahr?« erkundigte ich mich beiläufig.
»Stimmt
— ! Ich glaube, Berkeley wird die Sache jetzt übernehmen. Was in diesem Büro
gelegentlich für irre Gestalten auftauchen, Al! Shafer ist einer von der Sorte — ich erschrecke mich jedesmal zu Tode, wenn ich ihn bloß ansehe.« Sie kicherte
plötzlich. » Heute nachmittag war noch so einer da — es
war das reine Drama! Er behauptete, er müsse Berkeley sofort sprechen, es
handle sich um eine Sache auf Leben und Tod. Er wartete noch nicht einmal, bis
ich Berkeley in seinem Büro benachrichtigt hatte — sondern ging einfach weiter
und platzte dort hinein. Ich dachte, der arme kleine Berkeley
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