Gift
möchte endlich wissen, was du über den Mord
herausgefunden hast«, meldete sich Melba energisch zu Wort. »Hol dir
was zu trinken und fang endlich an, zu erzählen.«
»Wenn ich jetzt was trinke, schlafe ich nur ein.«
Und dann begann Samuel zu berichten, was er von Almandine
Hagopian erfahren hatte.
»Eine schlimme Geschichte«, sagte Melba, als Samuel geendet
hatte.
»Allerdings. Aber was soll ich jetzt tun, nachdem ich das
alles weiß?«
»Du fragst dich also, ob du Detective Bernardi erzählen
sollst, welche Rolle Almandine Hagopian bei diesem Drama gespielt hat,
oder nicht?«
»Eigentlich gibt es keine Alternative«, sagte Samuel. »Aber
irgendwie habe ich trotzdem kein gutes Gefühl bei der Sache. Lucine ist
einer Meinung mit mir, dass die arme Frau bereits genügend durchgemacht
hat.«
»Auf jeden Fall. Du steckst wirklich in der Zwickmühle. Egal,
was du auch tust, es ist auf jeden Fall falsch. Was passiert
eigentlich, wenn du der Polizei nichts von ihrer Beteiligung erzählst
und auch in deinen Artikeln nichts davon erwähnst?«
»Das kann ich nicht, Melba. Ich muss es Bernardi erzählen.
Außerdem brauche ich Almandine für meine Artikel. Sie macht die Sache
erst richtig interessant. Und ohne sie fehlt auch das Motiv, es sei
denn, einer der Beteiligten legt ein Geständnis ab. Aber wie du dir
sicher denken kannst, ist das äußerst unwahrscheinlich.«
»Ein Geständnis ist ein rein technisches Problem«, sagte
Melba. »Es kommt gerade bei Mordfällen häufig vor, dass ein Motiv nicht
erkennbar und schon gar nicht nachweisbar ist. Aber reichen denn die
Beweise, die die Polizei auf dem Grundstück der Chatoians gefunden hat,
nicht für eine Verurteilung aus?«
»Doch, doch, auf jeden Fall.«
Nachdenklich nahm Melba einen Zug von ihrer Zigarette und
blies genüsslich den Rauch in die Luft. »Aha, dann ist es also in
erster Linie ein moralisches Problem. Kannst du den D.A. breitschlagen,
ihren Beitrag an dem Mord unberücksichtigt zu lassen?«
»Höchstens unter der Voraussetzung, dass Almandine nicht ahnen
konnte, was passieren würde«, sagte Samuel.
»Aber sie ist ja nicht gerade auf den Kopf gefallen.«
»Mit Sicherheit nicht«, sagte Samuel.
»Deine Aufgabe besteht einzig und allein darin, die Fakten
zusammenzutragen und der Öffentlichkeit zu präsentieren. Und die
Entscheidung, welche rechtlichen Schritte unternommen werden, liegt
einzig und allein beim D.A.«
»Was willst du damit sagen?«
»Manchmal gelingt es der Katze nicht, die Maus zu fangen.«
Samuel brauchte eine Weile, bis er begriff, was Melba damit
meinte. Er schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Wenn sie
nicht hier ist, können sie sie auch nicht belangen. Das hat mir Janak
bereits bestätigt. Ich werde Almandine sagen, dass sie, egal was
passiert, in Frankreich bleiben soll.«
»Na, siehst du. Was willst du mehr? Du erzählst der Polizei,
was du herausgefunden hast, und dann verweist du in deinem Artikel auf
den alten Rechtsgrundsatz in dubio pro reo , im Zweifel
für den Angeklagten.«
»Vielen Dank für deine Hilfe, Melba.«
»Ganz im Gegenteil, ich habe dir zu danken, Samuel. Ich bin in
letzter Zeit halb umgekommen vor Langeweile, und du bringst endlich
wieder Leben in die Bude.«
»Pass gut auf dich auf, Melba, und rauch vor allem nicht so
viel«, riet ihr Samuel zum Abschied.
Samuel überreichte Detective Bernardi
mehrere maschinegeschriebene Seiten seines Artikels über die
Hagopian-Morde und erklärte ihm, dass er sie in den nächsten Tagen zur
Veröffentlichung freigeben wolle, sobald er von ihm grünes Licht
erhielte. Der Detective lehnte sich zurück und begann zu lesen.
Zunächst nickte er immer wieder zustimmend, nach einer Weile gab er
jedoch mehrmals ein verblüfftes Brummen von sich. Daraus schloss
Samuel, der währenddessen aus dem schmutzigen Fenster von Bernardis
Büro schaute, dass der Detective bei den Enthüllungen über Almandine
Hagopian angelangt sein musste. Als Bernardi zu Ende gelesen hatte,
wirbelte er auf seinem Schreibtischstuhl herum, klatschte das
Manuskript auf den Schreibtisch und sagte grinsend: »Einfach
unglaublich. Wie haben Sie die Witwe dazu gebracht, Ihnen das alles zu
erzählen?«
»Zum Teil habe ich sie einfach festgenagelt, und alles Weitere
habe ich meiner Kontaktperson in Paris zu verdanken.«
»Ich kann Ihnen nicht untersagen, irgendetwas von dem, was Sie
hier geschrieben haben, zu veröffentlichen. Allerdings würde ich an
Ihrer Stelle noch hinzufügen,
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