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Gift

Gift

Titel: Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gordon
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zu konzentrieren, der bestimmt ausreichend
Stoff für eine brandheiße Story für seine Zeitung hergäbe. Seit den
Morden, über die er zu Beginn des Jahres unter dem Titel Die
chinesischen Töpfe berichtet hatte, war er auf keinen so
aufsehenerregenden Fall mehr gestoßen.
    Samuel fand sich um halb zehn vor der armenisch-orthodoxen
Kirche in Oakland ein, wo eine halbe Stunde später der
Trauergottesdienst stattfinden sollte. Begleitet wurde er von seinem
Fotografen Marcel Fabreceaux, dem er Anweisung erteilt hatte, von
jedem, auf den er mit dem Finger deutete, ein Foto zu machen. Vor der
Kirche hatten sich bereits an die hundert Menschen versammelt. Die
Männer, viele von ihnen bärtig, waren alle in dunklen Anzügen; die
ebenfalls dunkel gekleideten Frauen trugen Hüte und zum Teil Schleier.
Zunächst beobachtete Samuel vor allem die Trauergäste, und wenn er den
Fotografen gelegentlich auf jemanden aufmerksam machte, fotografierte
Marcel die betreffende Person unauffällig. Detective Bernardi war in
demselben braunen Anzug erschienen, den er am Tatort getragen hatte. Er
unterhielt sich mit einem großen Mann, der zu seinem schwarzen Anzug
einen grauen Stetson und Cowboystiefel trug. Samuel ging auf den
Detective zu und begrüßte ihn. Bernardi lächelte verhalten, als er den
Reporter bemerkte. »Ah, Mr. Hamilton. Hier, um die Öffentlichkeit über
die neuesten Entwicklungen zu unterrichten?«
    »Ja, Sir. Das ist mein Job.«
    »Darf ich vorstellen? Das ist Earl Graves von der
Staatsanwaltschaft. Er leitet bis auf weiteres die Ermittlungen.«
    Als Samuel dem Mann mit dem Stetson die Hand reichte,
verschwand sie fast in dessen mächtiger Pranke. Wegen des hängenden
Augenlids des Mannes nahm Samuel an, dass er den gefürchteten Deadeye,
wie Janak ihn nannte, vor sich hatte.
    »Freut mich, Mr. Hamilton. Earl J. Graves, Deputy D. A.
E-a-r-l J. G-r-a-v-e-s.« Er buchstabierte seinen Namen bewusst langsam,
damit ihn der Reporter in der Zeitung nicht falsch schrieb.
    »Was können Sie mir bisher schon über den Fall erzählen, Mr.
Graves?«, fragte Samuel.
    »Im Moment leider noch gar nichts«, antwortete Deadeye. »Aber
sobald wir von Lieutenant Bernardi die entsprechenden Berichte erhalten
haben, wird der District Attorney eine Pressekonferenz abhalten. Hier
ist meine Karte. Rufen Sie mich morgen an, dann kann ich Ihnen sagen,
wann das sein wird.« Er tippte an seine Hutkrempe und stolzierte davon,
um sich mit anderen Trauergästen, die er für wichtiger hielt, zu
unterhalten.
    »Das war wohl Deadeye«, bemerkte Samuel.
    »Wer sonst?«, sagte Bernardi. »Sein Ruf scheint ihm
vorauszueilen.«
    »Ist er für das Verfahren zuständig?«, fragte Samuel.
    »Er sagt zwar nein, aber ich bin sicher, darauf wird es
hinauslaufen.«
    »Ich habe gehört, er hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um
den Fall zu kriegen«, sagte Samuel.
    »Von wem haben Sie denn das?«, fragte der Detective.
    »Ich habe eben so meine Quellen … War der Tote
verheiratet?«
    Bernardi nickte. Ihm war rasch klargeworden, dass er über
Samuels Quellen nicht mehr herausbekäme, weshalb er nicht weiter
nachhakte.
    »Sehen Sie die Frauen dort drüben? Die kleinere in dem
schwarzen Kleid, mit Hut und Schleier, das ist die Witwe; die größere
in dem dunkelgrauen Kleid mit dem teuren Hut und dem dünneren Schleier
ist Hagopians Schwester Candice. Die anderen sind Verwandte.«
    Samuel deutete auf die Frauen, und sein Fotograf drückte auf
den Auslöser.
    »Hatte Hagopian Kinder?«, fragte Samuel weiter.
    »Ja, zwei Töchter, aber sie sind in einem französischen
Internat. Sie konnten nicht rechtzeitig zum Begräbnis herkommen.«
    »Haben Sie schon mit einigen von den Leuten gesprochen, die
hier sind?«, fragte Samuel.
    »An dem Tag, als der Tote entdeckt wurde, habe ich ein
längeres Gespräch mit der Schwester geführt, und heute Nachmittag
treffe ich mich mit der Witwe.«
    »Könnte ich vielleicht mitkommen?«, fragte Samuel. »Um meine
Berichterstattung etwas abzurunden, wüsste ich gern mehr über die
Familie des Toten.«
    »Sie werden verstehen, dass ich nichts über die Angehörigen
des Toten herauslassen kann, Samuel, aber alles, was sie mir erzählen
werden, findet Eingang in den Ermittlungsbericht, und der ist für jeden
zugänglich.«
    »Darf ich Sie später vielleicht noch mal anrufen und Ihnen ein
paar Fragen über die Familie des Toten stellen?«, erkundigte sich
Samuel.
    »Sicher, ich kann Ihnen gern sagen, was ich herausgefunden
habe. Aber wie

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