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Gift

Gift

Titel: Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gordon
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deshalb meldete er sich kurz vor Ausbruch
des Koreakriegs zur Navy. Im Anschluss daran war es ihm dank der G.I.
Bill of Rights möglich, an der University of San Francisco Jura zu
studieren. Nach bestandenem Examen bekam er eine Stelle als Assistant
District Attorney des Contra Costa County. Ihm gefiel der ländliche
Charakter des County; es erinnerte ihn an seine Heimat in der Nähe der
Ölfelder von Bakersfield – wild und rau und voller
Herumtreiber, die nur darauf warteten, von einer Autoritätsperson
gesagt zu bekommen, wo es langgeht. Er war groß und schlank und hatte
frühzeitig ergrautes gewelltes Haar und Augen von der Farbe polierten
Stahls. Seinen Spitznamen Deadeye hatte er bekommen, weil er als Kind
in der Abenddämmerung gegen einen zwischen zwei Pfosten auf Augenhöhe
gespannten Draht gerannt war. Dabei wurde der Nerv seines linken
Augenlids so stark geschädigt, dass er es nur noch halb öffnen konnte.
    Zum Zeichen seiner Bewunderung für den amerikanischen Westen
trug er immer einen schwarzen Anzug und schwarze Cowboystiefel mit
silbernen Zehenkappen. Dieses Outfit ergänzte eine
Schnürsenkelkrawatte, die von einer Navajo-Brosche aus Türkis
zusammengehalten wurde. Am liebsten hätte er dazu regelmäßig seinen
grauen Stetson getragen, aber selbst ihm war klar, dass Contra Costa
nicht Texas war; deshalb kam der Hut nur bei besonderen Anlässen zum
Einsatz.
    Die Staatsanwaltschaft befand sich in dem 1932 erbauten
Gerichtsgebäude. Es war ein niedriger weitläufiger Bau, der mit seinen
imposanten Säulen wie eine schlechte Imitation eines griechischen
Tempels aussah und den Eindruck erwecken sollte, in seinen Mauern der
Gerechtigkeit eine Heimstatt zu bieten, was jedoch nicht immer der Fall
war.
    Es war sieben Uhr dreißig morgens, als Deadeye die Treppe zu
seinem Büro im ersten Stock hinaufstieg und es sich mit einem Becher
Kaffee, einem Donut und der Morgenzeitung an seinem Schreibtisch bequem
machte. Laut kauend und schlürfend begann er, Samuels Artikel über den
Mord an Hagopian zu lesen. Je weiter er las, desto nervöser wurde er.
Er würgte die letzten unzerkauten Reste des Donuts hinunter, fuhr sich
mit dem Handrücken über die Lippen und spülte alles mit Kaffee
hinunter. Dann ging er den Flur hinunter und stürmte in das Büro des
District Attorney.
    »Sir, gerade lese ich in der Zeitung von diesem abscheulichen
Verbrechen. Ich finde, diesen Fall sollten Sie mir übertragen.«
    Überrascht über dieStörung, legte der
Bezirksstaatsanwalt die Bilanz, die er gerade studiert hatte, beiseite
und sah denMann über den Rand seiner Brille hinweg
an.
    »Wovon reden Sie eigentlich, Graves?«
    Deadeye bekam sich nur mühsam wieder in den Griff. »Von dem
Mord an Mr. Hagopian. Sie erinnern sich doch sicher an ihn. Hat an
Weihnachten immer sehr großzügig für unseren Kinderumzug gespendet.
Reizender Mann. Reizende Familie. Eine echte Tragödie.«
    »Er wurde ermordet, sagen Sie. Wann?«
    »Wie es aussieht, vorgestern Abend. Darf ich Ihnen ein paar
Zeilen aus der Zeitungsmeldung vorlesen?« Ohne auf die Antwort des D.A.
zu warten, las er einige der reißerischsten Passagen von Samuels
Artikel vor.
    »Mein Gott, wie furchtbar. Aber fällt das nicht unter dieZuständigkeit der Polizei von Richmond?«
    »So ist es, Sir. Die Ermittlungen leitet Lieutenant Bernardi,
einer unserer besten Leute.« Um sich seinen Übereifer nicht anmerken zu
lassen, schaute Deadeye aus dem Fenster.
    »Da haben Sie allerdings recht! Einer unserer Besten.« Der
D.A. sah Deadeye Graves forschend an. »Aber warum erzählen Sie mir das
eigentlich alles? «
    »Weil ich den Fall gern übernehmen würde, Sir«, sagte Deadeye
und wandte den Blick wieder vom Fenster ab.
    »Allem Anschein nach handelt es sich hier um ein
Kapitalverbrechen, Mr. Graves. Folglich müssen wir uns, um nähere
Einzelheiten über den Fall zu erfahren, erst mit der Polizei von
Richmond in Verbindung setzen, bevor ich eine Entscheidung treffe, wer
den Fall übernimmt. Sie wissen, dass an sich Richmond dafür zuständig
ist. Ich will jedoch Ihr Engagement belohnen und den Fall deshalb
vorläufig Ihnen zuteilen, aber klären Sie das vorher auf jeden Fall
noch mit dem dortigen District Attorney.« Damit setzte sich der D.A.
zurück, nahm seine Brille ab und legte sie auf die Schreibunterlage.
»Glauben Sie, Sie haben genügend Prozesserfahrung, um ein Verfahren
dieser Größenordnung zu bewältigen?«
    »Ich verstehe nicht, wie Sie da Zweifel haben können,

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