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Gift

Gift

Titel: Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gordon
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einzureden.
    »Wir sind gern bereit, mit Ihnen zu reden, aber nicht heute.
Ich hoffe, Sie verstehen, dass das nicht der richtige Zeitpunkt ist«,
sagte Candice Hagopian und gab ihm ihre Telefonnummer.
    »Aber natürlich.«
    Als die zwei Frauen zu dem großen Cadillac gingen, der vor der
Kirche wartete, bedeutete Samuel dem Fotografen, der Trauergemeinde zum
Friedhof zu folgen. »Haben Sie von allen, auf die ich gedeutet habe,
Fotos gemacht?«, fragte Samuel.
    »Jawohl, Sir.« Marcel holte den Autoschlüssel heraus.
    »Gut. Wie alt ist Ihr Auto?«, fragte Samuel.
    »Baujahr 47. Ich fahre es selbst schon über zehn Jahre, und es
ist nicht kaputt zu kriegen«, erklärte der Fotograf stolz.
    »Wie können Sie sich in San Francisco ein Auto leisten?«
    »Ich wohne nicht in San Francisco. Das würde mein Geldbeutel
nicht verkraften. Ich lebe draußen in der South City.«
    »Das erklärt alles«, sagte Samuel und wechselte das Thema.
»Wir müssen sehen, wie wir die Leute auf den Fotos identifizieren
können. Wie viele Personen haben Sie in etwa aufgenommen?«
    »Um die fünfundzwanzig, würde ich sagen. Die Abzüge kann ich
Ihnen zwar bis heute Nachmittag machen, aber bei der Identifizierung
dieser Leute kann ich Ihnen leider nicht behilflich sein.«
    »Ist Ihnen vielleicht irgendjemand besonders aufgefallen?«,
fragte Samuel.
    »Ja. Ich werde Ihnen ein paar Fotos zeigen, die ich nebenher
gemacht habe.«
    Als Samuel am Abend ins Camelot kam, saß
Melba nicht auf ihrem Stammplatz an dem runden Tisch am Eingang. Zu
seiner Überraschung sah er ihre sportliche Tochter Blanche in einem
weißen Trainingsanzug hinter der Bar stehen, wo sie sich mit dem
Barmann unterhielt. Er bekam immer Schmetterlinge im Bauch, wenn sie im
Camelot war.
    Niemand hätte behaupten können, dass sie gut zusammengepasst
hätten. Samuel war klein, eins fünfundsechzig ohne Schuhe, schüchtern
und eher faul und hatte noch nie in seinem Leben viel Sport getrieben.
Blanche dagegen war eins fünfundsiebzig groß, schlank und hatte blondes
Haar, das sie normalerweise zu einem Pferdeschwanz nach hinten gebunden
hatte. Sie war kerngesund, selbstbewusst, Vegetarierin und eine
begeisterte Sportlerin. Was Samuel am meisten an ihr mochte, waren ihre
strahlend blauen Augen – Augen, in denen er ihre Seele zu
sehen glaubte, die ihn jedoch, so meinte er, bestenfalls als eine
oberflächliche Bekanntschaft betrachteten. Er strahlte übers ganze
Gesicht, als er auf sie zuging.
    »Schön, dich mal wieder zu sehen, Blanche. Ich dachte, du
würdest zurzeit oben am Lake Tahoe als Skilehrerin arbeiten.«
    »Habe ich auch«, sagte sie lächelnd. »Aber Mom hat sich eine
schwere Bronchitis eingefangen und wird wahrscheinlich ein, zwei Monate
ausfallen. Deshalb hat sie mich gebeten, sie hier zu vertreten, bis sie
wieder auf die Beine kommt.«
    »Sie raucht einfach zu viel. Deshalb wollte ich ihr auch einen
Termin bei Mr. Song besorgen. Glaubst du, in ihrem Zustand kann ich sie
überhaupt zu ihm mitnehmen?«
    »Damit solltest du, glaube ich, lieber warten, bis es ihr
wieder bessergeht.«
    »Okay. Wie sieht's aus, hättest du Lust, mal mit mir essen zu
gehen?«
    »Gern, aber zuerst muss ich sehen, dass ich hier alles in den
Griff kriege. Wie läuft's bei der Zeitung?«
    »Es geht so. Im Moment bin ich wieder an einem interessanten
Fall dran: ein Armenier, der tot vom Eingangstor seiner Mülldeponie
hing.«
    »Mord oder Selbstmord?«
    »Ersteres. Ich arbeite übrigens mit einem Bekannten von dir
zusammen«, fügte Samuel betont beiläufig hinzu. »Janak Marachak.«
    »Mit Janak? Er ist ein richtiger Schatz«, sagte Blanche mit
mehr Begeisterung, als Samuel lieb war.
    »Findest du wirklich? Mir kommt er eher ziemlich ungehobelt
und auch nicht besonders sympathisch vor«, bemerkte Samuel pikiert.
    »Ungehobelt? Wie kommst du denn darauf, Samuel? Er ist eine
Seele von einem Menschen. Ein echter Idealist, der sich selbstlos für
die Unterprivilegierten einsetzt. Er hat mir auch schon viel geholfen.
Wir sind gut miteinander befreundet.«
    »Nur befreundet?«
    Sie antwortete ihm nicht, weil der Barmann sie ans Telefon
rief. Nachdem sie an diesem Abend ohnehin keine Zeit mehr für ihn haben
würde, zog sich Samuel an den runden Tisch zurück, an dem er sonst mit
Melba saß. Er bestellte wie immer einen Scotch on the rocks und
bemerkte zu seinem eigenen Erstaunen, dass ihm Excalibur fehlte. Er
hatte den kleinen Köter wirklich ins Herz geschlossen.
    Als Janak Marachak das Camelot

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