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Gift

Gift

Titel: Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gordon
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gesagt, das steht auch alles im Ermittlungsbericht.«
    »Das weiß ich, Lieutenant. Ich stehe nur ziemlich unter
Zeitdruck. Sie wissen ja, der Redaktionsschluss.«
    »Verstehe.« Und mit ironischem Unterton fügte der Detective
hinzu: »Die Öffentlichkeit hat schließlich ein Recht darauf, informiert
zu werden.«
    »Wer sind die bärtigen Männer in den dunklen Anzügen dort
drüben?« Samuel deutete mit dem Finger auf die Gruppe, gefolgt von der
Kamera des Fotografen.
    »Das sind die Mitglieder des Ältestenrats. Sie vertreten die
armenische Gemeinde in der Bay Area.«
    »Diese ganzen Leute hier, sind das alles Armenier?«, fragte
Samuel.
    »Ich bin nicht sicher, aber die meisten wahrscheinlich schon.
Sie kommen von überall her, aus Fresno, Los Angeles und einige sogar
aus Frankreich.«
    »Aus Frankreich?«
    »Hagopians Familie ist nach dem Völkermord ursprünglich
dorthin geflohen«, sagte Bernardi. »Das hat mir zumindest seine
Schwester Candice erzählt.«
    »Verstehe.« Samuel rieb sich das Kinn. »Wie kann ich Kontakt
mit ihnen aufnehmen?«
    »Am besten durch mich. Sie können mit ihnen reden, sobald ich
mit ihnen fertig bin. Sprechen Sie Französisch?«
    »Ein bisschen«, sagte Samuel.
    »Dann bringen Sie vorsichtshalber einen Dolmetscher mit,
obwohl ihr Englisch gar nicht so schlecht sein soll.«
    »Von wem wissen Sie das alles?«, fragte Samuel.
    »Von Hagopians Schwester Candice.«
    »Haben Sie irgendetwas Verdächtiges über Hagopian
herausgefunden?«, fragte Samuel. »Irgendwelche dunklen Flecken auf
seiner Weste oder zumindest ein paar Feinde muss es in seiner
Vergangenheit doch geben.«
    Bernardi kratzte sich am Kopf, und dann legte sich unvermutet
ein verhaltenes Lächeln über sein sonst ausdrucksloses Gesicht. »Wissen
Sie, das frage ich mich auch schon die ganze Zeit. Diese Armenier
halten aber zusammen wie Pech und Schwefel. Vielleicht können Sie etwas
herausfinden. Und wenn, geben Sie mir Bescheid?«
    »Selbstverständlich, Detective.« Samuel knöpfte sein blaues
Jackett auf und blickte an der schlichten Fassade der Kirche hoch. Die
orthodoxen Kirchen, die er bis dahin gesehen hatte, waren alle
wesentlich prunkvoller gewesen. Zum Zeichen, dass der
Trauergottesdienst gleich anfangen würde, läuteten die Glocken, und die
Trauergäste begannen, in die Kirche zu strömen, wo man den Chor ein
schwermütiges Lied anstimmen hörte. »Das Problem ist nur, dass ich
nicht weiß, wo ich anfangen soll«, fuhr Samuel fort. »Gibt es hier eine
türkische Gemeinde? Die Türken sehen Hagopian sicher in einem anderen
Licht, glauben Sie nicht auch?«
    »Sie haben recht. Ich hatte nur noch keine Zeit, um mich damit
zu befassen.«
    Die beiden Männer betraten die Kirche. Hagopians Sarg stand
geschlossen vor dem Altar. Durch die Glasfenster mit den
Heiligendarstellungen drang vielfarbiges Sonnenlicht, und auf beiden
Seiten des Altars brannten zahlreiche Kerzen.
    Der Priester, der den Trauergottesdienst hielt, war ein großer
bärtiger Mann, der eine reichverzierte Mitra und ein goldenes
Messgewand trug. Er stimmte einen monotonen Wechselgesang mit dem Chor
auf der Empore an. Samuel behielt während des ganzen Gottesdienstes die
nächsten Familienangehörigen in der vordersten Bank im Auge.
    Als die Trauerfeier vorüber war, schlüpfte er durch einen
Seitenausgang nach draußen und postierte sich auf der Treppe vor dem
Hauptportal. Während die Familie des Toten aus der Kirche kam, steuerte
er auf Hagopians Witwe zu, die mit einem Mann sprach, bei dem es sich
offensichtlich um ein Mitglied des Ältestenrats handelte.
    »Bitte verzeihen Sie, Ma'am. Mein Name ist Samuel Hamilton.
Ich bin Journalist.« Samuel reichte ihr seine Visitenkarte. »Wären Sie
bereit, mit mir über den bedauerlichen Tod Ihres Mannes zu sprechen?«
    Überrascht stellte Samuel fest, dass die Frau hinter dem
dunklen Schleier zwanzig Jahre jünger aussah als ihr verstorbener Mann.
Sie war schlank und höchstens einen Meter fünfzig groß, ihre Figur gut
proportioniert, das Haar tiefschwarz und schulterlang. Als sie kurz den
Schleier anhob, sah Samuel, dass sie stark geschminkt war, was ihm bei
einer trauernden Witwe etwas eigenartig vorkam. Er entdeckte auch keine
Spur von Trauer in dem jungen Gesicht. Die Frau sah Samuel aus großen
kastanienbraunen Augen an und sagte mit starkem Akzent: »Im Moment ist
es sehr schwer für mich, darüber zu sprechen.« Dann wandte sie sich
einer größeren Frau zu und begann, auf Französisch auf sie

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