Gift
sich und fächerte die
etwa dreißig Seiten, die es umfasste, mit Daumen und Zeigefinger auf.
»Steht hier irgendetwas drin, was ich besonders beachten sollte,
Detective?«
»Etwas weiß ich bereits über Sie, Mr. Marachak, Sie sind uns
immer einige Schritte voraus.«
Um Janaks Lippen spielte ein verhaltenes Lächeln.
»Deshalb hätte auch ich eine Frage an Sie, Counselor. Wo ist
Ihr Mandant Miguel Ramos?«
»Ich bin nicht befugt, mit Ihnen über den Aufenthaltsort
meiner Mandanten zu sprechen.«
»Dachte ich mir fast, dass Sie das sagen würden.«
»Vielen Dank.« Janak steckte den Bericht in seine abgewetzte
Aktentasche und stand auf. »Wir werden uns sicher noch öfter sehen,
Lieutenant.«
Er schüttelte Bernardi die Hand und wandte sich zum Gehen.
Doch Bernardi war noch nicht fertig mit ihm. »Da ist noch etwas, das
Sie wissen sollten. Es hat einen zweiten Mord gegeben. Diesmal hat es
Joseph Hagopian erwischt, den Cousin. Er wurde ermordet auf seiner Farm
in Fresno gefunden.«
»Was soll das mit meinen Mandanten zu tun haben?«, fragte
Janak, der diese schockierende Neuigkeit erst einmal verdauen musste.
»Auf der Mordwaffe, einer Machete, befanden sich Miguel Ramos'
Fingerabdrücke.«
Janak sah kreidebleich aus. Seine Handflächen wurden so
feucht, dass ihm fast die Aktentasche entglitt.
»Vollkommen ausgeschlossen!«
»Wieso halten Sie das für ausgeschlossen, Counselor?«
»Glauben Sie mir, das ist vollkommen unmöglich. Die
Fingerabdrücke müssen von denselben Leuten, die Armand Hagopian
umgebracht haben, an der Machete angebracht worden sein.«
»Ich bin gern bereit, mir Ihre Argumente anzuhören«, sagte
Bernardi, »aber etwas genauer müssen Sie mir das schon erklären.«
»Das werde ich bei Gelegenheit gern tun, aber erst einmal muss
ich mehr über den zweiten Mord in Erfahrung bringen, von dem Sie mir
gerade erzählt haben.«
Janak verließ das kleine Polizeirevier und machte sich auf den
Heimweg. Als er an einer Telefonzelle vorbeikam, hielt er an, um in der
Kanzlei anzurufen, wo ihm Vanessa sofort erzählte, was Samuel ihr über
den Mord in Fresno berichtet hatte.
»Ich habe es gerade von Bernardi erfahren«, sagte Janak und
fügte seufzend hinzu: »Da Samuel sich der Sache bereits annimmt, werde
ich erst mal warten, bis er zurück ist.«
Janak legte auf und ging wieder zum Auto. Er fuhr jedoch nicht
sofort los, sondern saß erst einmal eine Zeitlang mit geschlossenen
Augen, den Kopf in die Hände gestützt, da und wartete, bis sich das
Durcheinander in seinem Kopf etwas gelegt hatte.
Dann nahm er den Bericht der Spurensicherung aus seiner
Aktentasche und blätterte darin, bis er auf die Fotos von dem
Fußabdruck am Rand des geharkten Bereichs am Tor der Deponie stieß. Er
schätzte, der Schuh hatte in etwa Größe neun gehabt.
Am Abend ging Janak ins Camelot, wo er Samuel zu treffen
hoffte. Er musste ihm unbedingt berichten, dass immer mehr Beweise
auftauchten, die seine Mandanten schwer belasteten. Durch die Straßen
San Franciscos pfiff ein kalter Wind, aber in der Bar herrschte die
warme und entspannte Atmosphäre eines Freitagabends. Das Gros der
Gäste, die das Ende der Arbeitswoche gebührend begossen, setzte sich
aus Männern zusammen, die, ihre Sakkos über der Schulter, mit losen
Krawattenknoten an der Bar standen. Einige von ihnen würden, nachdem
sie das Camelot verlassen hatten, ihre Jacketts gegen Lederjacken
austauschen und in aller Heimlichkeit das Viertel südlich der Market
Street aufsuchen, wo sich eine Schwulenszene anzusiedeln begann. Es
waren zwar auch ein paar Frauen unter den Gästen, aber sie ließen sich
an den Fingern einer Hand abzählen. Alle trugen strenge Kostüme mit
weißen Blusen und hochhackigen Schuhen, die gängige Bürokleidung. In
jüngster Zeit waren mehrere Zeitungsartikel über die Alkoholprobleme
alleinstehender Frauen in San Francisco erschienen, und tatsächlich kam
es nicht selten vor, dass Melba oder Blanche eine von ihnen total
betrunken in einem Taxi nach Hause schicken mussten.
Als Janak die Bar betrat, suchte er Samuel zunächst unter den
Gästen, die an dem runden Tisch am Eingang saßen. Doch der Reporter
stand am Tresen und unterhielt sich mit Blanche. Janak schüttelte den
Kopf. Es war nicht zu übersehen, dass er in Blanche verschossen war.
Jeder andere Kerl, der diese Bezeichnung auch nur halbwegs verdiente,
hätte hemmungslos mit ihr geflirtet, Samuel dagegen schlich die ganze
Zeit nur mit diesem treudoofen Hundeblick um
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