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Gift

Gift

Titel: Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gordon
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Mineralwasser. Es diente ihm als Vorwand, um noch eine
Weile im Camelot zu bleiben.
    »Ihr beide wart ja über eine Stunde im Büro«, sagte Blanche.
»Was hattet ihr denn so Wichtiges zu besprechen?«
    »Ach, nur Verschiedenes im Zusammenhang mit dem Fall, an dem
Janak gerade arbeitet. Interessanterweise zeigt sich dabei immer
wieder, dass zwischen den Hagopians und Frankreich irgendeine
Verbindung zu bestehen scheint. Janak und ich sind zu der Überzeugung
gelangt, dass wir diesem Punkt näher nachgehen sollten, und wie es der
Zufall will, ist diese Aufgabe mir zugefallen«, erklärte Samuel mit
einem theatralischen Seufzer.
    »Ach, du Armer! Eine Frankreichreise! Wie schrecklich!
Hagopian, ist das nicht der Mann, der auf der Deponie ermordet wurde?«
    »Ja.«
    »Hat Janak dir eigentlich schon mal von Lucine erzählt?«,
fragte Blanche unvermittelt.
    »Ja, er hat mal ein armenisches Mädchen erwähnt, das er in
Paris kannte. Aber offensichtlich erzählt Janak dir wesentlich mehr als
mir. Ihr beide steht euch wohl sehr nahe.« Kaum hatte Samuel das
gesagt, wurde ihm bewusst, wie geradezu lächerlich sich das anhörte.
Doch Blanche schien keine Notiz davon zu nehmen.
    »Ach, weißt du, Samuel, in einem Job wie meinem vertrauen
einem die Menschen vieles an, und meine Mutter hat es sich zum
Grundsatz gemacht, nichts von alldem weiterzuerzählen. Wenn Männer ein
bisschen was getrunken haben, werden sie häufig sehr
mitteilungsbedürftig und suchen sich jemanden, dem sie ihr Herz
ausschütten können. Janak ist zwar sonst nicht gerade sehr gesprächig,
aber ab und zu braucht auch er eine tröstende Schulter, an der er sich
ausheulen kann – wie jeder andere Mann auch.«
    »Bitte erzähl mir, was du darüber weißt, Blanche.«
    »Aber nur unter einer Bedingung.«
    »Und die wäre?«
    »Dass du nach Lucine suchst, wenn du nach Paris fliegst.«
    »Wie stellst du dir das vor? Paris ist eine Millionenstadt.«
    »Ich habe ihre Adresse.«
    »Du hast ihre Adresse? Wie das?« Samuel konnte seine
Verblüffung nicht verbergen.
    »An dem Abend, als Janak mir von Lucine erzählte, hatte er
einen Brief für sie bei sich, und weil am nächsten Tag Samstag und
seine Kanzlei geschlossen war, bot ich ihm an, den Brief für ihn
einzuwerfen.«
    »Hast du den Brief gelesen?«
    »Wo denkst du hin? Natürlich nicht! Aber ich habe mir die
Adresse aufgeschrieben, weil ich es sehr bewegend fand, was er mir über
das Mädchen erzählt hat.«
    »Und was hat er dir über sie erzählt?«
    »Er hat sie zufällig auf der Straße kennengelernt, sie haben
sich ineinander verliebt und ein paar sehr glückliche Tage miteinander
verbracht. Doch als Janak merkte, dass es richtig ernst wurde zwischen
ihnen, bekam er Panik und ist einfach abgehauen.«
    »Du meinst, er hat sie sitzenlassen?«
    »Ja, einfach so. Er hat mir erzählt, dass er ohne ein Wort der
Erklärung nach Kalifornien zurückgekehrt ist. Natürlich begann er es
schon nach wenigen Tagen bitter zu bereuen. Doch als er sie anzurufen
versuchte, konnte er sie nicht erreichen. Daraufhin begann er, ihr zu
schreiben, aber Lucine antwortete nicht auf seine Briefe. Die ganze
Sache liegt inzwischen schon ein paar Jahre zurück. Lucine muss ganz
schön wütend auf ihn gewesen sein.«
    »Verletzter Stolz?«
    »Wahrscheinlich. Oder sie hat ihn einfach vergessen. Aber
vielleicht gibt es doch noch einen Funken Hoffnung, dass die beiden
wieder zusammenkommen.«
    Samuel war erleichtert, denn Blanche würde sich bestimmt nicht
als Vermittlerin einschalten, wenn sie ein Auge auf Janak geworfen
hätte. Samuel nahm sich vor, notfalls ganz Paris nach Lucine
abzusuchen, und sei es auch nur, um zu verhindern, dass Janak doch noch
mit Blanche anbändelte.
    »Gib mir ihre Adresse, ich werde sehen, was ich herausfinden
kann.«
    »Erzähl aber bitte Janak nichts davon. Er würde mir nie
verzeihen, wenn er herausbekäme, dass ich mich da eingemischt habe.
Versprichst du mir das?«
    »Natürlich, großes Ehrenwort.«

6 DIE
STADT DER LICHTER
    D er Flug von San Francisco war Samuel endlos
erschienen, und als er endlich in Paris eintraf, war er so erschöpft,
dass er auf schnellstem Weg ins Hotel fuhr, wo er auf der Stelle ins
Bett fiel und zwölf Stunden durchschlief.
    Am nächsten Tag galt sein erster Besuch La Roche et Fils, dem
Herrenschneider in der Rue St. Laurent, einer der exklusivsten
Einkaufsstraßen der Stadt. Wie in den weniger noblen Vierteln erfüllte
auch dort der Duft von Kaffee und frischgebackenen

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