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Gift

Gift

Titel: Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gordon
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von ihm bestellen, Mademoiselle.«
    »Ich weiß nicht, ob Lucine so erpicht darauf ist, von ihm zu
hören«, entgegnete die junge Frau schroff.
    »Er hat mich gebeten, ihr etwas auszurichten.«
    »Ja, ja. Irgendwie kommen sie früher oder später alle wieder
an«, sagte sie lachend. »Die einen kommen auf den Knien angerutscht und
bitten um Vergebung, die anderen geben mit ihrem Reichtum und ihren
beruflichen Erfolgen an. Zu welcher Kategorie gehört Ihr Freund?«
    »Wissen Sie denn, wo ich sie finden kann?« Samuel spürte
instinktiv, dass er an der richtigen Adresse war.
    Sie dachte kurz nach und musterte Samuel prüfend. »Kommen Sie
später noch mal vorbei. Ich muss mich erst erkundigen.«
    »Na gut«, sagte Samuel. »Ich könnte morgen noch mal
vorbeikommen. Wäre Ihnen zehn Uhr recht?«
    »Non, non, monsieur . Viel zu früh, morgen ist Sonntag. Sagen wir um eins. Au revoir .« Und damit
schlug sie ihm die Tür vor der Nase zu.
    Samuel bedankte sich bei der jungen Frau, die ihm geholfen
hatte, und machte sich mit neu aufkeimender Hoffnung auf den Weg zurück
in sein Hotel.
    Am nächsten Tag fand sich Samuel um ein Uhr
wieder in der Rue de Provence ein und klopfte an die Tür im
Erdgeschoss. Es war dieselbe Frau, die öffnete. »In Amerika scheint man
sehr pünktlich zu sein.«
    »Nur weil der Kontakt zu Lucine sehr wichtig ist«, erklärte
Samuel großspurig.
    »Das kann ich mir denken«, entgegnete die Frau sarkastisch.
»Sie ist tatsächlich bereit, sich mit Ihnen zu treffen. Allerdings habe
ich ihr nicht erzählt, warum Sie mit ihr sprechen wollen. Ich habe ihr
nur gesagt, dass jemand nach ihr gefragt hat, und daraufhin hat sie mir
ihre neue Adresse gegeben.«
    »Entschuldigen Sie, Mademoiselle, aber ich habe Ihnen doch gar
nicht erzählt, warum ich mit ihr sprechen möchte.«
    »Was Sie wollen, liegt doch auf der Hand. Sie wollen die Bande
zu ihrem verschollenen Liebhaber wieder neu knüpfen, oder etwa nicht?«,
sagte sie mit einem verächtlichen Unterton.
    »Glauben Sie das wirklich, Mademoiselle?«
    »Ist es etwa nicht so?«, fragte sie, die Hände herausfordernd
in die Hüften gestemmt.
    »Es geht um ein paar Briefe aus Amerika, die nach ihrem Umzug
nicht an sie weitergeleitet wurden«, improvisierte Samuel, der sich
angesichts der messerscharfen Intuition der schönen jungen Frau wie ein
Idiot vorkam.
    »Über die amerikanische Post kann ich zwar nichts sagen, aber
hier in Frankreich ist sie sehr zuverlässig«, konterte sie.
    »Haben Sie ihre Telefonnummer?«, fragte Samuel.
    »Ja, natürlich. Wie hätte ich sie sonst anrufen sollen? Sie
hat gesagt, ich soll Ihnen ihre Adresse geben. Da.« Sie reichte ihm
einen Zettel.
    »Wie komme ich in die Rue de la Victoire?«, fragte Samuel nach
einem Blick auf den Zettel.
    »Sie können zu Fuß gehen, es ist nicht weit von hier. Au revoir .« Sie wollte
die Tür schließen, doch Samuel drückte mit der Hand dagegen.
    »Vielen Dank für Ihre Hilfe, Mademoiselle. Ich werde Lucine
erzählen, wie sehr Sie mir geholfen haben.« Samuel setzte sein
gewinnendstes Lächeln auf. Es fiel ihm schwer, sich von dem hübschen
Mädchen loszureißen. Doch sie sah ihn nur verständnislos an und schloss
die Tür. Immerhin knallte sie sie diesmal nicht zu.
    Samuel setzte sich auf die Eingangstreppe des Hauses und
entfaltete den Stadtplan von Paris. Die Rue de la Victoire war
tatsächlich nicht weit entfernt. Deshalb machte er sich zu Fuß auf den
Weg und hatte das Haus auch bald gefunden. Er holte tief Luft, bevor er
es betrat. Was sollte er dieser Frau sagen, die er gar nicht kannte?
    Nachdem er geklopft hatte, musste er eine Minute warten, bis
endlich die Tür aufging. Dahinter erschien eine außerordentlich
attraktive, schlanke junge Frau mit großen braunen Augen, einem
schmalen Gesicht und schulterlangem schwarzem Haar. Sie strahlte eine
vornehme Eleganz aus. Samuel nahm an, dass sie Lucine Clark war, und
war erstaunt über Janaks guten Geschmack. Er gab der Frau seine
Visitenkarte und stellte sich als Freund Janak Marachaks vor.
    Sie errötete und kniff die Augen zusammen. »Sind Sie etwa
seinetwegen hier?«, fragte sie nicht nur in einwandfreiem Englisch,
sondern auch sichtlich verärgert.
    »Tut mir leid, wenn ich störe, Mademoiselle. Ich bin zwar
wegen Janak Marachak zu Ihnen gekommen, aber er weiß nicht, dass ich
hier bin.«
    »Wie soll ich das verstehen?«
    Samuel überlegte fieberhaft, wie er sie versöhnlicher stimmen
könnte. »Wie bereits gesagt, bin ich ein Freund

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