Gift
Monsieur« und
verließ den Laden. Er blieb kurz vor dem Eingang des Geschäfts stehen,
um die Ärmel seines Sportsakkos straff zu ziehen, und zum ersten Mal
spürte er die Kühle in der Luft.
Der Zeitunterschied zwischen San Francisco und Paris machte
Samuel doch mehr zu schaffen als erwartet. Er fühlte sich, als hätte er
Watte im Kopf. Deshalb beschloss er, erst einmal in den Park an den
Champs-Elysées zu gehen, wo er sich auf eine freie Bank setzte und über
sein weiteres Vorgehen nachdachte.
Als er wieder klarer zu sehen begann, beschloss er, aufs Rive
Gauche zurückzukehren und in einem Viertel zu Mittag zu essen, das
seinem Geldbeutel eher angemessen war. Da er mit der Metro
hierhergekommen war, wusste er nicht, wie er ins Hotel zurückkäme, aber
von da, wo er saß, sah er ein paar Brücken, die über die Seine führten,
und das vermittelte ihm das Gefühl, sich einigermaßen orientieren zu
können. Er ging auf einen Polizisten zu und erkundigte sich in seinem
besten Französisch nach dem Weg, worauf ihm der Flic riet, die Seine
auf der Pont Neuf zu überqueren.
Der Winterhimmel war verhangen, und weil Samuel keinen Mantel
hatte, sondern nur sein Jackett und einen Schal, fürchtete er, es
könnte jeden Moment zu regnen oder, noch schlimmer, zu schneien
beginnen. Er rieb sich die Hände, um sie warm zu halten, und
marschierte los.
Nachdem er die Tuilerien mit ihren kahlen Platanen hinter sich
gelassen und auf der Pont Neuf die Seine überquert hatte, ging er in
das erste Restaurant, an dem er vorbeikam: Le Marinier. Das Innere des
Lokals, von dessen Decke mehrere Segelschiffmodelle hingen, war dunkel
und gemütlich. Er ergatterte einen Fensterplatz, von dem aus er einen
guten Blick auf die Straße hatte. In der warmen Jahreszeit wurden auch
auf dem Gehweg vor dem Lokal Tische aufgestellt. Auf der anderen Seite
der schmalen Straße floss hinter einer niedrigen Steinmauer träge die
Seine vorbei.
Wie schon der Name besagte, war das Le Marinier ein
Fischrestaurant, aber Samuel stand der Sinn nach kräftigerer Kost,
weshalb er bei dem brasilianischen Kellner ein Steak mit Pommes frites
und eine halbe Flasche Rotwein bestellte. Janak hatte Samuel erzählt,
es sei in Paris praktisch unmöglich, schlecht zu essen, und tatsächlich
sollte Samuel bald merken, dass sein Freund recht hatte und selbst
einfache Gerichte sehr schmackhaft waren und immer ansprechend serviert
wurden. Er gab dem jungen Kellner ein großzügiges Trinkgeld und machte
sich auf den Weg zurück in sein Hotel, um ein wenig zu schlafen.
Als er eine Stunde später aufwachte, wusch er sich mit kaltem
Wasser das Gesicht und nahm einen zerknüllten Zettel mit Lucines
Adresse aus seiner Brieftasche. Er zeigte den Zettel dem Portier an der
Rezeption und fragte ihn nach dem Weg. Der Mann holte einen Stadtplan
und erklärte ihm, wie er fahren musste.
Samuel kehrte auf sein Zimmer zurück, schlang sich gegen die
Kälte den roten Wollschal um den Hals und machte sich auf den Weg zur
Metro-Station Chaussee d'Antin.
Soweit Blanche von Janak wusste, wohnte Lucine in einem
schönen Haus in der Nähe des Kaufhauses Galeries Lafayette. Samuel
stieg in den ersten Stock des Hauses Nummer 12 der Rue de Provence
hinauf und klopfte an die einzige Tür, die es dort gab. Eine junge Frau
Anfang zwanzig öffnete ihm. Samuel erklärte ihr, er suche eine Lucine
Clark. Die junge Frau schüttelte den Kopf und erklärte ihm in hastigem
Französisch, sie lebe schon über ein Jahr in der Wohnung und kenne
keine Lucine.
»Glauben Sie, es gibt hier im Haus jemanden, der weiß, wo sie
inzwischen wohnt?«
»Lassen Sie mich mal überlegen. Möglicherweise kann Ihnen eins
der Mädchen weiterhelfen, die schon länger hier wohnen als ich. Kommen
Sie mit, Monsieur.« Samuel folgte der jungen Frau nach unten ins
Erdgeschoss, wo sie an eine Tür klopfte. Nach einer Weile öffnete ihnen
eine Frau mit schwarzem Haar, blauen Augen und einem bezaubernden
Gesicht. »Ach, du bist's. Ich dachte, es wäre Renée.« Sie sah Samuel
an. »Wer ist das denn?«
»Das ist ein Amerikaner, der nach Lucine Clark sucht.«
»Lucine Clark? Mon Dieu , sie wohnt schon zwei Jahre nicht mehr hier. Was will er denn
von ihr?« Sie sah Samuel argwöhnisch an.
»Ich bin hier, weil ich aus Amerika gute Nachrichten für sie
habe«, sagte er in holprigem Französisch und lächelte gewinnend.
»Kennen Sie etwa den Amerikaner, mit dem sie mal zusammen war?
Sind Sie deswegen hier?«
»Ja, ich soll ihr etwas
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