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Gift

Gift

Titel: Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gordon
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Lichter und hielten sich mehrere Tage lang im Keller
versteckt, bis sie schließlich entdeckt wurden.«
    »Haben die Türken sie also doch erwischt?«
    »Nein, es waren Armenier, und mit Ausnahme Hectors haben sie
die gesamte Dienerschaft der Hagopians umgebracht. Sie hieben wahllos
mit ihren Schwertern auf sie ein, bis sie alle tot waren. Dabei
trennten sie ihm ein Bein ab und …« Sie stockte. »Sie ließen
ihn dann einfach liegen, weil sie dachten, er wäre tot.«
    Bestürzt fragte Samuel: »Warum haben diese Armenier den
Dienern das angetan?«
    »Das weiß niemand. Das Massaker dauerte nur wenige Minuten,
dann waren die Banditen auch schon verschwunden. Kurz darauf kamen
einige Verwandte von Hector ins Haus und fanden ihn dort fast
verblutet. Glücklicherweise war ein alter Wundarzt darunter, der die
Blutungen stillen konnte. Sie brachten ihn in eine Höhle außerhalb von
Erzurum, wo sie ihn so lange versteckt hielten, bis er wieder
transportfähig war. Sie konnten nach Bulgarien
fliehen und landeten schließlich in Paris, wo sie ihren Namen in
Somolian änderten, weil sie fürchteten, dass diese Banditen versuchen
würden, auch sie zu töten.«
    »Haben sie denn herausgefunden, wer die Täter waren?«, fragte
Samuel.
    »Nein, und sie glaubten auch, es wäre besser, keine
Nachforschungen anzustellen. Andernfalls hätten diese Leute
möglicherweise erfahren, dass Hector noch am Leben war, und ihm und
seiner Familie vielleicht weiter nachgestellt.«
    Während Lucine das alles für Samuel übersetzte, saß der
einbeinige alte Mann auf seinem Hocker und trank eine Tasse Tee. Auf
seinem faltigen Gesicht lag ein abgeklärter, milder Ausdruck, der
keinen Zweifel daran ließ, dass er im Frieden mit sich und der Welt
war. Er war dankbar, überhaupt so lange am Leben geblieben zu sein.
    »Können Sie ihn nach seinem richtigen Namen fragen?«, wandte
sich Samuel an Lucine.
    Als ihre Mutter die Frage an den Alten weitergab, sah Samuel
zum ersten Mal Angst in den Augen des Mannes aufflackern, und seine
Familienangehörigen begannen plötzlich, aufgeregt durcheinanderzureden.
    »Sie möchten auf keinen Fall, dass irgendjemand erfährt, dass
Hector oder irgendeiner seiner Familienangehörigen noch am Leben ist
und sich hier in Paris aufhält. Außerdem kennen sie Sie nicht, Samuel.«
    »Sagen Sie ihnen, ich bin Zeitungsreporter und versuche
herauszufinden, wer Armand und Joseph Hagopian ermordet hat. Ich werde
niemandem erzählen, wo Hector und seine Verwandten leben.«
    Die Bestürzung der Armenier war unübersehbar, als ihnen
Sasiska übersetzte, dass Armand und Joseph Hagopian tot waren. Die
Frauen wurden leichenblass.
    Die Nachricht von der Ermordung der Hagopians und die
Tatsache, dass Samuel Zeitungsreporter war, bestärkten die Armenier
noch in ihrer ablehnenden Haltung. Sie erklärten höflich, aber
bestimmt, dass sie unbedingt anonym bleiben wollten. Hector Somolian
drehte seinen Hocker herum und senkte den Kopf. Die Frauen redeten
aufgeregt auf Sasiska ein, bis Lucine sich einschaltete und sie zu
beruhigen versuchte. Dann wandte sie sich wieder Samuel zu.
    »Ich werde später, wenn sich die erste Aufregung gelegt hat,
noch mal herkommen und in aller Ruhe mit Hector sprechen. Dann sieht er
die Sache bestimmt schon etwas anders, und wenn ich ihm auch noch
versichere, dass alles, was er mir erzählt, unter uns bleibt, wird er
mir bestimmt sagen, was Sie von ihm wissen wollen. Aber das wird
natürlich etwas dauern.«
    »Sie scheinen sich Ihrer Sache sehr sicher zu sein«, sagte
Samuel, erstaunt über die Aufregung, die er mit seiner Bitte verursacht
hatte.
    »Wie gesagt, ich stelle für die Bank ständig heikle
Nachforschungen an. Seien Sie unbesorgt, wir beschaffen Ihnen, was Sie
wollen. Aber Sie müssen diese Leute unbedingt decken, haben Sie
verstanden?«
    »Natürlich. Solange ich weiß, wovor ich sie schütze.«
    »Sie sind gerade dabei, Mittagspause zu machen«, sagte Sasiska
auf Französisch. »Sie laden uns ein, mit ihnen zu essen.«
    Lucine und Samuel sahen sich an. Weil den Somolians ganz
offensichtlich viel daran lag, dass sie ihre Gastfreundschaft nicht
ausschlugen, blieben sie und nahmen an der aus Brot und Suppe
bestehenden Mahlzeit teil. Sasiska, die unaufhörlich in ihrer
Muttersprache redete, kam kaum dazu, ihre Suppe zu essen, und Samuel
beobachtete voller Bewunderung die drei Generationen von Armeniern, die
trotz aller widrigen Umstände friedlich vereint in diesem Zimmer lebten
und arbeiteten.
    Nach

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