Gift
Samuel
zufrieden.
»Ich glaube, es ist mehr als das«, sagte Janak. »Das alles
kann nur bedeuten, dass Deadeye noch wesentlich mehr zu verbergen hat.
Ich glaube, er denkt, wir wüssten mehr über ihn, als es tatsächlich der
Fall ist, und er hat Angst, dass wir es der Presse zuspielen.«
»Wahrscheinlich hast du recht, Janak«, sagte Samuel. »Ich
werde mich noch einmal mit Mae Ming treffen. Vielleicht weiß sie ja
noch mehr über ihn.«
»Das brauchen wir gar nicht. Er ist bereits schwer
angeschlagen. Wir warten einfach ab und lassen ihn in seinem eigenen
Saft schmoren. Das wird ihn beim Prozess deutlich schwächen.«
»Glaubst du wirklich, dass er nicht wieder mit irgendwelchen
faulen Tricks ankommen wird?«, fragte Samuel.
»Vorerst nicht, aber ich rechne fest damit, dass er beim
Prozess alle möglichen krummen Touren versuchen wird. Darauf bin ich
jedoch vorbereitet. Das einzige Problem war diese negative Publicity im
Vorfeld.«
»Trotzdem kann es nicht schaden, noch mehr seiner dubiosen
Machenschaften aufzudecken«, sagte Samuel.
»Meinetwegen, aber ich möchte nicht, dass er deswegen von dem
Fall abgezogen wird«, sagte Janak. »Das erinnert mich an eine
Geschichte, die ich mal über den langjährigen Gouverneur meines
Heimatstaats Ohio gehört habe. Einer seiner engsten Mitarbeiter geriet
wegen irgendwelcher dubioser Geschäfte in ernsthafte Schwierigkeiten.
Doch der Gouverneur ließ den Gauner nicht fallen und wurde trotzdem
wiedergewählt. Auf die Frage, warum er seinen kompromittierten
Mitarbeiter nicht entlassen habe, antwortete er nur: ›Würden Sie etwa
den Sandsack aus der Turnhalle entfernen.‹ Und Deadeye ist mein
Sandsack.«
»Bis zum Prozessbeginn ist es nur noch eine Woche. Dann muss
ich unbedingt alles parat haben, was wir für unsere
Verteidigungsstrategie benötigen. Deshalb müssen wir noch einmal das
gesamte Beweismaterial durchgehen und uns Gedanken darüber machen , wen der D.A. in den Zeugenstand rufen will und was die
Betreffenden vermutlich sagen werden.«
»Ich habe mehrere Experten engagiert. Ob ich bei der
Verhandlung tatsächlich auf sie zurückgreife, hängt ganz davon ab,
welche Beweise Deadeye dem Gericht vorlegen wird.«
8 DER
PROZESS
I n den Paragraphen 187 und 188 des
Strafgesetzbuchs von Kalifornien steht in Auszügen Folgendes:
187 (a)
Mord ist die Tötung eines Menschen
mit böswilligem Vorsatz.
188
Ein solcher böswilliger Vorsatz kann
ausdrücklich oder implizit sein. Ausdrücklich ist er, wenn eine
gezielte Absicht erkennbar ist, einem Mitmenschen gesetzwidrig das
Leben zu nehmen. Implizit ist er, wenn keine nennenswerte Provokation
gegeben ist oder wenn die Begleitumstände der Tötung auf eine
verdorbene und bösartige Gesinnung hindeuten. Wenn sich zeigt, dass die
Tötung das Ergebnis des absichtlichen Begehens eines Akts mit
ausdrücklicher oder impliziter Böswilligkeit, wie oben definiert, ist,
muss keine andere Geisteshaltung nachgewiesen werden, um die
Geisteshaltung böswilligen Vorsatzes für gegeben zu betrachten. Weder
ein Wissen um die Verpflichtung, sich an die Gesamtheit der Gesetze zu
halten, die das Zusammenleben der Gesellschaft regulieren, noch ein
Handeln trotz eines solchen Wissens ist in der Definition von
Böswilligkeit eingeschlossen.
Der District Attorney von Contra Costa
County erhob gegen Narcio Padia und Juan Ramos Anklage wegen Mordes
ersten Grades aus böswilliger Absicht. Er beantragte für beide
Angeklagten die Todesstrafe. Seine Absichten waren in der
Öffentlichkeit bestens bekannt, und der Prozess, der am Montagmorgen
beginnen sollte, wurde mit Spannung erwartet.
In der Nacht zuvor schlief Janak nicht gut. Wie vor jedem
Prozess war er extrem nervös, was diesmal jedoch in erster Linie daran
lag, dass es zum ersten Mal in seiner Anwaltskarriere um Leben und Tod
seiner Mandanten ging. Mitten in der Nacht kam ihm plötzlich der
Gedanke, dass er noch im Gefängnis vorbeischauen sollte, bevor er nach
Martínez ins Gericht fuhr.
Am Morgen stand er früh auf und rief Samuel an, um ihn zu
fragen, ob er ihn und Asquith auf der Fahrt zum Gericht mit
Zwischenstopp in Marin County begleiten wolle. Sie fuhren zunächst zur
Richmond-San Rafael Bridge, wo das State Prison San Quentin lag. Janak
bat Samuel, das letzte Stück des Wegs mit ihm zu Fuß zu gehen.
Hinter einer Biegung der schmalen Straße tauchte der
kürbisfarbene Bau des Gefängnisses vor ihnen auf. Sie setzten sich auf
die Bank einer Bushaltestelle.
»Auf dieser Bank
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