Gift
Kasse
der Cafeteria. »Da bin ich wieder.«
»Ah, guten Tag, Mr. Marachak.«
»Sie erkennen mich tatsächlich an der Stimme wieder?«, sagte
Janak überrascht. »Dabei war ich doch nur ein einziges Mal hier.«
»Ich bin zwar blind, aber ich habe ein gutes Gehör und ein
gutes Gedächtnis«, antwortete der alte Mann lächelnd. »Außerdem wusste
ich bereits, dass Sie heute im Gericht sein würden.«
»Sie scheinen ja bestens informiert zu sein«, sagte Janak.
»Haben Sie vielleicht auch ein paar Tipps für mich, was die Auswahl der
Geschworenen betrifft? Das steht nämlich als Erstes auf der
Tagesordnung.«
»Das hängt davon ab, wer Ihre Kandidaten sind.«
Janak sah seine beiden Begleiter skeptisch an. Auch Asquith
und Samuel konnten sich nicht vorstellen, dass ihnen ein Blinder bei
der Auswahl der Geschworenen helfen könnte. »Kommt Ihnen denn hin und
wieder etwas über die Leute zu Ohren, die sich als Geschworene zur
Verfügung stellen?«, fragte Janak den alten Mann.
»Sie würden staunen, was ich hier so alles zu hören bekomme,
Counselor.«
»Heißt das, Sie können mir ein paar brauchbare Hinweise geben,
wenn ich Ihnen die Namen der Kandidaten nenne?«
»Was glauben Sie denn? Ich kann mich an die Namen aller
Geschworenen erinnern, die mal in die Cafeteria gekommen sind. Sie
trinken hier Kaffee, essen zu Mittag, und manchmal nehmen sie auch
nachmittags noch eine Kleinigkeit zu sich. Da bekomme ich alles
Mögliche über sie zu hören, und zwar hauptsächlich von anderen
Geschworenen, die am selben Prozess teilnehmen. Und dann sind da noch
die Festen. Es gibt Geschworene, die in den letzten zehn Jahren an fünf
oder sechs Prozessen teilgenommen haben.«
»Dann lassen Sie mich Ihnen doch gleich ein paar Kandidaten
nennen«, sagte Janak und las sechs Namen von der Liste ab.
»Lauter ehrliche und anständige Leute – bis auf
Nummer vier. Der Kerl ist mit allergrößter Vorsicht zu genießen.«
Asquith strich den Namen auf der Liste durch, neben die
anderen schrieb er ›okay‹. In diesem Stil ging Janak dann mit dem Alten
die ganze Liste durch und bekam auf diese Weise eine Vielzahl
brauchbarer Informationen über die Kandidaten. Bei einigen äußerte der
Blinde Bedenken, bei anderen riet er Janak, selbst Erkundigungen über
sie einzuziehen, weil sie dem County zum ersten Mal als Geschworene zur
Verfügung standen. Samuel bot Janak an, dass er sich darum kümmern
würde, damit sich die beiden Anwälte ganz auf die Abfassung der Anträge
konzentrieren konnten.
»Wie ist das eigentlich mit Earl Graves?«, wandte sich Janak
wieder an den Blinden. »Taucht er auch manchmal hier auf?«
»Nicht ein einziges Mal, seit er Deputy District Attorney ist.
Den interessiert doch nicht, wie die einfachen Leute leben. Aber so
viel kann ich Ihnen sagen: Er ist nicht sonderlich beliebt beim
Gerichtspersonal, was aber nicht heißen soll, dass die Gerichtsdiener
und Wärter nicht auf der Seite von Recht und Ordnung stehen. Aber
Graves gilt allgemein als rücksichtsloser Dreckskerl, der für seine
Karriere über Leichen geht. Und die jüngste Zeitungsmeldung über ihn
hat auch nicht gerade dazu beigetragen, seinem schlechten Ruf
entgegenzuwirken.«
»Wie hat man diese Sache denn hier gesehen?«
»Graves wäre um ein Haar geschasst worden, aber der Chef hatte
sonst niemanden, der den Fall hätte übernehmen können. Das ist der
einzige Grund, warum Graves noch im Amt ist.«
»Eigentlich bin ich sogar froh, dass Deadeye nicht entlassen
wurde«, sagte Janak. »So weiß ich wenigstens, mit wem ich es zu tun
habe. Aber ich kann mir vorstellen, dass ihm sein Chef ordentlich die
Leviten gelesen hat.«
»Das können Sie laut sagen, Sir. Er hat ihm in aller
Deutlichkeit klargemacht, noch ein Fehler, und er ist weg vom Fenster.
Er hat ihm sogar damit gedroht, höchstpersönlich einen Antrag zu
stellen, das Verfahren wegen eines Verfahrensfehlers einzustellen.«
»Glauben Sie, der Richter würde so einem Antrag stattgeben?«,
fragte Janak. »Mir wäre es nämlich lieber, er täte es nicht –
es sei denn, Graves leistet sich einen besonders dicken Klops.«
»Schwer zu sagen«, meinte der Blinde. »Sie sind alte Freunde,
der D.A. und der Richter, aber das muss nicht unbedingt etwas heißen.
Sie wissen ja selbst, wie Pluplot ist: absolut korrekt und zuverlässig.
Er wird sich bestimmt strikt an das Gesetz halten. Aber seien Sie auf
jeden Fall vorsichtig. Diesem Graves ist alles zuzutrauen.«
»Keine Sorge, Donald. Ich
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