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Giftiges Grün

Giftiges Grün

Titel: Giftiges Grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elsemarie Maletzke
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sich nichts aus Minze, aber um seine Gastfreundschaft zu würdigen, nippte sie ebenfalls am Tee, geräuschlos.
    »Wenn sich ein Junge zum ersten Mal verliebt, glaubt er, sein Mädchen sei der wunderbarste Mensch auf der Welt.«
    Lina wechselte einen Blick mit ihrer Mutter. Keine von ihnen wollte Johann Gerswillers erste Liebesgeschichte hören, und er machte es dankenswerter Weise kurz. »Sie war nicht wunderbar. Sie war«, – diesmal nahm er Rücksicht auf die Ohren der alten Dame – »sehr reif für ihr Alter und ließ sich absolut nichts sagen; sehr süß und sehr boshaft. Es hat ihr Spaß gemacht, die Leute gegeneinander aufzubringen, und ich fürchte, sie konnte auch ihre Finger nicht immer bei sich behalten. Man sollte meinen, dass sich eine Mademoiselle Bruant ihre Wäsche selbst kaufen kann. Aber sie nahm sie einfach von der Leine des Personals, und als das Hausmädchen sie in ihrem Hemd sah und sich aufregte, nannte sie Marie ins Gesicht hinein eine Lügnerin.«
    »Wie unschön!«, sagte Berta Weil und trank endlich ihren Tee. »Was diese Mademoiselles in der Schweiz alles lernen – tzt! Schwimmen gehörte offenbar nicht dazu«, fügte sie in gewohnter Gefühllosigkeit an.
    Gerswiller warf ihr einen Blick zu, der Bertas Interesse schnell wieder auf den Tee lenkte.
    »Aber sie war doch erst siebzehn«, beschwichtigte Lina. »Junge Mädchen sind in dem Alter manchmal ein bisschen orientierungslos.«
    »Fünfzehn«, sagte Gerswiller, »sie war erst fünfzehn. Das hat Madame Bruant im Nachhinein für die Presse etwas nach oben korrigiert. Marion ist in Genf von der Schule geflogen, weil sie in der Umkleidekabine vom Sportplatz mit den anderen Mädchen Gras geraucht hat.«
    »Gras kann man rauchen?«, fragte Berta Weil irritiert, bekam aber keine Antwort.
    »Das haben wir doch alle mal probiert«, wandte Lina ein.
    »Ja, das haben wir probiert. Das und anderes.« Gerswiller zog scharf an seiner krummen Zigarette, die er zwischen Daumen- und Zeigefingerspitze hielt, kniff die Augen im Rauch zusammen und drückte dann den Stummel aus. »Ich glaube jedenfalls, Madame Bruant war das aufsässige Kind im Haus bald leid. Sie war nicht so der mütterliche Typ, zumal cher Henri anfing, um die Kleine herum zu scharwenzeln. Wenn er so dicht hinter ihr stand und den Feldstecher hielt, damit sie die Vögel in den Bäumen betrachten konnte … Schwimmunterricht im Badebecken mit Hilfestellung hier und dort. Alter Depp! Sie hat nur über ihn gelacht. Was die Alten nicht wussten, war, dass wir uns nachts am Tennisplatz trafen, und dann haben wir eben nicht nur heimlich geraucht. Oder Federball gespielt.«
    Er verzog den Mund, aber es wurde kein Lachen daraus. Lina schob ihren Becher weg. Sie würde keine weiteren Gefälligkeitsgesten leisten.
    »Wollen Sie wissen, was in der Nacht vom 21. Juni passiert ist?« Er wartete nicht auf Antwort. »Während alle auf der Terrasse feierten, ist Heinrich Weil mit Marion auf den Turm im Haus gestiegen. Diesmal ging es um die Sterne, die er ihr zeigen wollte, und diesmal waren es nicht nur ein paar unerlaubte Griffe in die Weichteile. Er hat versucht, sie da oben zu vergewaltigen, und nur weil sie so ein fixes Mädchen war und sich zu wehren gewusst hat, kam sie heil durch die Tür und die Treppe runter. Da stand ihre Mutter und das war’s dann.
    »Und das soll ich glauben?«, sagte Lina ärgerlich. »Mein Onkel war ein harmloser, freundlicher Mensch. Er hat sich nichts aus Schulmädchen gemacht. Ich weiß, dass er mit seiner Frau glücklich war.«
    »Ganz wie Sie meinen«, erwiderte er kalt. »Jedenfalls nicht glücklich genug, dass Madame seine Gesellschaft nach Marions Tod noch ertragen konnte.«
    Berta Weil, die einen Konflikt aufziehen sah, mischte sich rasch ein.
    »Bitte erzählen Sie weiter. Was passierte auf dem Fest?«
    »Nichts«, sagte er, »es ging einfach weiter; man wollte ja keinen Skandal riskieren.«
    »Und Sie haben auch nichts gemerkt? Sie waren doch auf der Terrasse.«
    »Ich habe nicht mal mitgekriegt, wie Marion wegging. Es waren über vierzig Gäste da, und die haben alle kräftig geschluckt. Als die Sucherei losging, bin ich zum Tennisplatz gelaufen, aber da war sie nicht. An das Schwimmbecken habe ich überhaupt nicht gedacht. Erst als es hell wurde. Am nächsten Morgen habe ich sie da gefunden.«
    Lina schwieg, aber ihre Mutter spielte weiter Detektiv:
    »Dann haben Sie auch nicht gemerkt, ob einer der anderen Gäste weggegangen ist?«
    »Doch. Der liebe

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