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Giftkuss

Giftkuss

Titel: Giftkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zara Kavka
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Pulli angezogen. Es tat regelrecht weh, sie anzusehen.
    »Ich gehe jetzt frühstücken. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag. Bis morgen.«
    »Das wünsche ich Ihnen auch.«
    Sie verließ den Raum.
    »Jetzt sind wir alleine, Mama«, sagte Katharina erwartungsvoll, als würde das irgendetwas ändern. Tat es aber nicht. Ihre Mutter zeigte keine Reaktion. Dabei hätte Katharina heute so dringend irgendein Zeichen von ihr gebraucht.
    »Bitte, Mama, sprich mit mir, nur dieses eine Mal. Ich brauche dich. Es ist was passiert. Weißt du, ich…«
    Katharina hielt inne. Ihre Mutter begann, mit ihren Fingern an der Bettdecke zu zupfen. Sie durfte sich auf keinen Fall aufregen. Behutsam strich Katharina über die unruhigen Finger.
    »Bleib ganz ruhig, Mama. Es ist nichts Schlimmes, aber du musst mir jetzt zuhören.«
    Sie zog die Bettdecke zurück und setzte ihre Mutter aufrecht hin. Dafür musste sie all ihre Kraft aufwenden, denn ihre Mutter hatte immer noch enormes Übergewicht. Jetzt noch das Nachthemd über den Kopf. Schließlich wusch sie ihr den Oberkörper, erst den Rücken, danach die Brust.
    »Gestern hätte es passieren sollen. Weißt du noch, was wir besprochen haben? Dass du gesund wirst, wenn er weg ist, und dass du hier rauskommst. Doch jetzt dauert es noch ein bisschen. Es ist was schiefgegangen. Aber bald ist alles gut und du kannst wieder sprechen. Nur noch ein bisschen warten, nicht lange, versprochen.«
    Kurz glaubte sie, eine Regung in den Augen ihrer Mutter gesehen zu haben. Vielleicht war es aber auch nur ein Zucken des Lids und sie hatte sich getäuscht, wie so oft. Sie nahm das Handtuch und trocknete den nassen Rücken ab.
    »Bald sind wir wieder zusammen, Mama, ich werde dich nicht enttäuschen.«
    Sie legte ihre Mutter wieder hin, deckte sie zu, brachte die Waschutensilien fort und verließ den Raum – nicht ohne vorher gespäht zu haben, ob der Gang auch frei war. Gleich würde Schwester Barbara mit dem Frühstück kommen. Mama war eine der wenigen, denen das Essen ins Zimmer gebracht wurde, und spätestens dann musste Katharina verschwunden sein, um inkognito zu bleiben. Sie wäre wie jedes Mal gerne geblieben, um ihre Mutter zu füttern. Heute tat es regelrecht weh, dass das nicht möglich war.
    Mittlerweile waren alle Patienten aufgestanden und die meisten saßen beim Frühstück. Zeit also für die Reinigung der Zimmer. Als Katharina das Wasser des Nassschrubbers erneuerte, ärgerte sie sich, Mama vom Scheitern des Plans erzählt zu haben. Die Gefahr, dass sie etwas verriet, womöglich im Traum etwas ausplauderte, war einfach zu groß. Mama war ihre einzige Schwachstelle, das war sie schon immer gewesen.
    Um genau 10 Uhr reinigte sie das Schwesternzimmer. Hier lief den ganzen Tag das Radio und so konnte sie die Nachrichten hören. Während der Sprecher von dem Leichenfund bei einer Beerdigung berichtete, wischte Katharina mit einem weichen Staublappen das Regalbrett ab, auf dem das Radio stand. Gebannt lauschte sie den Worten und stellte fest, dass alles nach Plan lief… Nein, es lief nach Plan B. Wäre der eigentliche Plan aufgegangen, läge ihr Vater jetzt unter der Erde – für immer unentdeckt, und sie wäre erlöst.
    Katharina schloss ihre Faust um den Lappen. Lähmende Enttäuschung überkam sie. So oft hatte sie sich ausgemalt, wie sie die Suche nach ihrem Vater und die Vermisstenmeldungen noch eine Weile verfolgen und dann ihre Mutter aus dem Heim nach Hause holen würde. Wie sie gemeinsam ein neues Leben beginnen würden, befreit und ohne Wut. Und jetzt stand sie hier, noch beschwerter als vorher, denn hinzu kam nun die Schuld.
    Sie haben Anja bestimmt schon in die Gerichtsmedizin gebracht.
    Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, als sie sich vorstellte, wie Anjas Körper auf dem kalten Stahltisch lag.
    »Katharina, geht es Ihnen nicht gut?… Katharina?«
    »Was?« Sie schreckte auf.
    Schwester Barbara stand direkt neben ihr und sah sie strahlend an.
    »Oh, ach ja… nein, mir geht es gut. Alles bestens.«
    Sie versuchte zu lächeln und wischte weiter die Regalbretter sauber.

6. Kapitel
    Cleo stand am Gartentor des Diekampschen Grundstücks und blickte auf den Park und das gigantische Haus. Obwohl es bereits sommerlich warm war, fröstelte sie und zog die dünne Strickjacke enger. Wie oft hatte sie mit Anja hier gestanden und diesen nagenden Neid gespürt. Schon im Kindergartenalter, als sie gespielt hatten, Prinzessinnen und stolze Besitzerinnen eines Schlosses zu sein.

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