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Giftpilz

Giftpilz

Titel: Giftpilz
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
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auf Vergiftungserscheinungen hin. Mit dem Ergebnis sei in frühestens zwei
bis drei Tagen zu rechnen.
    »Noch ist völlig unklar, ob es sich um eine fahrlässige Vergiftung …«, setzte Thomsen an, wurde jedoch von seinem Kollegen unterbrochen.
    »Meischtens scho. Die Leut sin so leichtsinnig beim Pilzsammle.«
    »Wir wissen noch nicht einmal, ob hier überhaupt jemand Pilze
gesammelt hat«, konterte Thomsen, dessen Mundschutz nun am Kinn hing und beim
Reden ständig auf und ab wippte.
    Winterhalter starrte den Mundschutz an. »Chef, wenn Sie scho wisse,
dass hier e Pilzvergiftung vorliegt, wieso trage Sie dann eigentlich no en
Mundschutz?«
    »In den Kliniken sterben die meisten Menschen. Mangelnde Hygiene,
Infektionen, Sie verstehen.«
    Winterhalter schmunzelte.
    Thomsen erklärte das weitere Vorgehen. Er selbst werde sich mit dem
Chefarzt unterhalten, dem der Anblick eines Polizisten in Kniebundhosen ohnehin
nicht zuzumuten sei. Dafür solle Winterhalter den Privatassistenten Dr. Hilbert
vernehmen, der den Totenschein ausgestellt habe. Und so, fügte Thomsen
dünkelhaft hinzu, sei auch die Hierarchie eingehalten: Der Chef kontaktiere den
Chefarzt und der Assistent dessen Assistenten.
    »Guet, Chef«, sagte Winterhalter. Er trug Thomsens Bemerkung mit
Fassung, obwohl er sich nicht als wirklicher Untergebener sah. Thomsen war
zweifelsohne ein guter Kriminalist. Wenn er aber gerade wieder einmal
Egomigräne hatte, war es besser, zu schweigen und seine eigenen Untersuchungen
anzustellen. Bei denen glänzte Winterhalter auch deshalb, weil er als
Schwarzwälder tief in der Gegend verwurzelt war und im Gegensatz zu seinem
norddeutschen Kollegen die Mentalität der Leute verinnerlicht hatte.
    Thomsen zog seinen Mundschutz wieder hoch, winkte seinem Adlatus,
ihm zu folgen – doch in diesem Moment fiel sein Blick auf Hummel und Riesle,
die im Verlauf der letzten Sekunden immer näher gekommen waren, um unauffällig
mitzuhören.
    Das Mithören war nicht gelungen – dafür hatten sie dem Kommissar mit
ihrem Erscheinen aber eine ganz besondere Freude gemacht, wenn sie seine
entgleisten Gesichtszüge hinter dem Mundschutz richtig deuteten.
    »Hallo, Nachbar«, sagte Riesle dann auch noch keck.
    Thomsen kochte. War dieser unsägliche Schnüffler ihm doch noch
gefolgt!
    »Wieso denn Nachbar?« Winterhalter kannte die Geschichte noch nicht – aber Thomsen verspürte keinerlei Lust, sie ihm zu erzählen. Stattdessen
blaffte er die beiden an: »Herr Riesle, Sie verschwinden – es gibt hier nichts
zu schnüffeln.« Dann zeigte er mit dem Handschuh auf Hummel. »Und das gilt
genauso für Sie.«
    Gleichzeitig echauffierte sich Thomsen gedanklich über die Art und
Weise, in der die Menschen heutzutage herumliefen. An Riesles immergleiche,
offenbar ungewaschene Jeanshose und -jacke hatte er sich ja schon fast gewöhnen
müssen. Jetzt dieser Winterhalter als Wandervogel verkleidet – und dann auch
noch der dicke Lehrer, der im Trainingsanzug umherstromerte …
    Hummel konterte: »Herr Kommissar, Sie werden’s nicht glauben, aber
ich wohne derzeit hier.« Ganz wohl war ihm dabei nicht. Noch immer empfand er
den Aufenthalt in der Tannenklinik als Makel, als Angriff auf seine
Männlichkeit. Die Therapeuten mühten sich schon seit mehreren Tagen, Hummel diesbezüglich
zu flexibilisieren.
    Während Thomsen von einer Schwester zum Chefarzt begleitet wurde,
erkundigte sich Winterhalter nach Dr. Hilbert.
    »Ich bringe Sie hin«, bot Hummel an.
    Riesle folgte im Schlepptau, was Thomsen im Vorbeigehen
missbilligend zur Kenntnis nahm. »Kein Wort zu diesen beiden …«
    »Nervensägen«, ergänzte Riesle grinsend, der es kaum erwarten
konnte, Material für seinen Artikel zu bekommen.
    »Herr Kriminalhauptkommissar«, sagte Professor Krieg. »Bei
den meisten infektiösen Gastroenteritiden erfolgt die Übertragung durch
fäkal-orale Schmierinfektion. Ein Mundschutz scheint uns aber zum jetzigen
Zeitpunkt nicht vonnöten.«
    Fäkal-orale Schmierinfektion? Was für ein abstoßender Begriff!
Allein durch die Nennung hatten sich sicherlich schon sieben Pickel bei ihm
gebildet, fürchtete Thomsen. Nach dem Besuch in dieser Klinik würde er heute
Nacht wieder lange duschen müssen. Schlimmerweise hatte er in die Dusche seiner
neuen Wohnung noch nicht das nötige Grundvertrauen. Nur dann konnte er sich
erholen, konnte Entspannung finden, auftanken, logische Gedanken fassen. Doch
erst einmal musste er möglichst schnell aus diesem Seuchenherd
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