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Giftpilz

Giftpilz

Titel: Giftpilz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
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bemerkt hatte.
    »Eigentlich nit. Aber hundertprozentig sicher ka mer nie sei. Mer
muss halt sehr genau hingucke’«, sagte Frau Winterhalter und zeigte Riesle eine
» Amanita virosa , en kegelhütige Knolleblätterpilz«.
    »Sehr interessant«, bestätigte Riesle. »Könnte man den leicht mit
einem Speisepilz verwechseln? Und wenn ja, mit welchem?«
    In seinem Artikel hatte er bereits geschrieben, dass die Vergiftungen
in der Klinik auf Pilze zurückzuführen seien. Wie konnten Giftpilze in das
Essen gelangt sein? Ein Versehen in der Küche oder beim Lieferanten etwa? Hatte
der Koch die Pilze vielleicht sogar selbst gesammelt? Oder hatte jemand die
Pilze gezielt ins Essen gemischt, um der Klinik zu schaden? Und hätte man das
in der Küche nicht bemerken müssen? All das war noch zu recherchieren. Zeit,
bald wieder aus diesem Wald herauszukommen. Schließlich war der Artikel für die
aktuelle Ausgabe und musste erst noch vom Chefredakteur gegengelesen werden.
    »Ha jo, des isch guet möglich«, sagte Frau Winterhalter und pflückte
eines der Exemplare.
    Riesle drückte auf den Auslöser seines Fotoapparats.
    »Den könnt mer mit Champignonarte verwechsle. Vor allem, wenn de
Champignon no jung isch«, bestätigte Frau Winterhalter und hielt das Exemplar
gegen eine Kolonie kleinerer Pilze. »Waldchampignons«, belehrte sie ihn. »Agaricus silvaticus.«
    »Aha«, machte Riesle. Wie man den wohl schrieb? Er beschloss, sich
nur noch die deutschen Namen zu notieren.
    »Sehet Sie en Unterschied?«, fragte Frau Winterhalter. Riesle
registrierte, dass das Pilzseminar begonnen hatte. Jetzt war also Mitarbeit
gefordert.
    »Äh … ja, der Pilz, den Sie in der Hand haben, ist weiß. Die anderen
sind eher bräunlich.«
    »Sehr guet, Herr Riesle.« Frau Winterhalter lächelte ihn an. Ihre
gesunden roten Bäckchen passten gut zum rot-weiß karierten Hemd und ähnelten
ebenfalls den Wangen ihres Mannes. Offenbar schien sich das Paar nach vielen
Ehejahren auch in den Gesichtszügen angeglichen zu haben.
    »Die ka mer eigentlich ganz guet unterscheide. Anders isch’s beim
Wiesechampignon. Die sehet dem Kerle no ähnlicher.«
    Putzige Ausdruckweise, dachte Riesle. »Und was passiert, wenn man so
einen ›Kerle‹ beim Pilzsammeln erwischt und in die Pfanne haut?« Das Thema
begann ihm Spaß zu machen.
    »Oh, des wär gar nit guet«, sagte Frau Winterhalter und verzog das
Gesicht. Riesle drückte rechtzeitig auf den Auslöser. Gutes Motiv. Giftpilz und
giftige Expertin. Sah aus, als hätte sie gerade von dem Exemplar gekostet.
    »Die Amatoxine sin scho in geringer Menge hochgiftig. Scho e paar vu
dene Pilz könntet zum Tod führe. So dreißig bis fünfzig Gramm Pilz. Un des
Fiese isch …« Frau Winterhalter zog mit ihren Fingern den Pilz auseinander und
hielt Riesle die eine Hälfte unter die Nase. »Riechet Sie ebbes?«
    »Nein, nichts«, erwiderte der Seminarteilnehmer brav.
    »Sehet Sie. Wenn Sie den in de Pfann brate und esset, merket Sie nit
mol ebbes. Der isch im Grund geruchs- und geschmacksneutral. Und dabei isch de
Knolleblätterpilz de g’fährlichste in unsere Breitegrade.«
    »Und wie wirkt der dann?«, fragte Riesle und sudelte eifrig
Hieroglyphen in den Notizblock. Die Kamera baumelte wieder um seinen Hals.
    Frau Winterhalter musste an sich halten, das Thema Tannenklinik
nicht zur Sprache zu bringen. Dieser Journalist war schon ganz schön plump.
    »Ha, zuerscht müsset Sie breche und bekommet Diarrhöe. Aber erscht
so nach zwölf bis achtzehn Stunde. Des isch jo des Tückische. Dann wird des
eventuell wieder besser. Des Gemeine isch aber, dass dann unter Umständ die
Organe angegriffe werde. Vor allem Leber und Niere. Und wenn des mol de Fall
isch, kann’s tödlich ausgehe.« Frau Winterhalter bekreuzigte sich.
    »Wie schnell kann die Pilzvergiftung dann zum Tod führen?«, fragte
Riesle, jetzt ohne sich besondere Mühe zu geben, seine Absichten zu
verschleiern. Das meiste hatte er sich schon im Internet angeeignet. Allerdings
hatten sich da die Auskünfte – wie immer in solchen Fällen – kräftig widersprochen.
    »Ha, in de Regel nach so fünf bis siebe Dag. Gibt aber halt au
Ausnahme.«
    Das Todesopfer in der Klinik war ziemlich schnell gestorben. Schon
etwa fünfzehn Stunden nach der Pilzmahlzeit.
    »Also normalerweise eher ein schleichender Tod?«
    »Fünf bis siebe Dag? Wie mer’s nimmt«, sagte Frau Winterhalter
trocken.
    »Sagen Sie, bestimmt haben Sie auch von diesen Vergiftungen in der
Tannenklinik

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