Giftspur
nichts gekommen.«
»Da haben wir ja was gemeinsam«, lachte Michael. »Ich bin mal gespannt, wie es bei mir aussieht.«
»Du bleibst doch hier heute Nacht, oder?« In Sabines Augen lag ein warmer Glanz, und ihre Stimme klang flehend, dabei hasste sie nichts mehr als Klammern und Betteln. Michaels sofortiges Nicken erlöste sie. Er nahm ihre Wangen zwischen seine kräftigen Hände und zog Sabine fest an sich heran. Sie küssten sich lange, Sabine genoss die Intensität seiner Berührungen, den vertrauten Geschmack und seinen Atem auf ihrer Haut. Verschlungen sanken sie hinab auf die Couch, stießen die Kissen beiseite, und schon fuhren seine Finger unter ihre Bluse, die Fingerkuppen glitten den Rücken hinauf und zogen sich anschließend mit gespreizten Nägeln in breiten Bahnen hinunter in Richtung Steiß. Sabine juchzte auf, ihr Körper schien von elektrischem Strom durchflossen, und an den Armen bildete sich Gänsehaut. Michael öffnete den Haken ihres BH , während sie nicht einmal in der Lage war, seinen Hosenbund zu erreichen. Wie paralysiert von dem Mann, dessen Liebe sie in der Vergangenheit wohl viel zu oft als selbstverständlich abgetan hatte, gab sie sich seiner Dominanz hin. Seinem zarten Biss, als er ihren Nacken mit den Zähnen umspielte, seinen rauhen Fingerkuppen, die um die Vorhöfe ihrer Brustwarzen kreisten, ohne diese zu berühren. Zwei Stunden lang liebten sie sich –
wurde
sie geliebt –, und zwei Stunden lang vergaß die Kommissarin alle Ängste und Sorgen.
Als sie später in Michaels Arm gekuschelt unter einer leichten Decke ruhte, raunten sie einander zärtliche Worte zu.
Ich liebe dich.
Du hast mir gefehlt.
»Möchtest du nicht hier einziehen?«
Am plötzlichen Stocken seiner Atmung, denn ihr Kopf ruhte noch immer auf Michaels Brustkorb, erkannte Sabine, wie sehr ihn die Frage überraschte.
»Ich bei dir?«
Sie hob den Kopf, dabei knackste es bedrohlich zwischen ihren Nackenwirbeln.
»Ja, warum nicht? Platz genug wäre doch, oder?«
Oh Gott.
Falsches Argument.
Sag ihm, dass du nicht ohne ihn leben möchtest.
Zu spät. Michael verzog den Mund und ließ seinen Blick durch das Zimmer schwenken.
»Platz genug, hm, na ja«, brummte er und gab sich keine Mühe, seine Ironie zu verbergen, »du müsstest halt dein Bücherregal zugunsten der Blu-Rays und der Videoleinwand ausmisten. Und ein Büro bräuchte ich auch. Man will sich ja nicht verschlechtern, nicht wahr?«
»Hey!« Sabine knuffte ihn lachend in die Seite. »Verschaukelst du mich hier etwa, während ich dir meine geheimsten Wünsche offenbare?«
»Nein!«, gab er zurück und tat empört. »Doch was sollen meine Kollegen denken, wenn ich plötzlich zu meiner Provinzschönheit ziehe? Dass ich als Nächstes meinen Schreibtisch in der Computerforensik räume?« Er lachte auf, doch Sabines Miene verfinsterte sich. Michael entging das nicht, und er fragte: »Sorry, hab ich was Falsches gesagt?«
»Provinzschönheit«, wisperte sie augenrollend.
»Die Vorsilbe
Provinz
ist verhandelbar«, grinste er, aber Sabine seufzte nur.
»Bei den meisten Kollegen fühle ich mich eher wie die Großstadttussi. Nein, eigentlich ist es anders«, korrigierte sie sich. »
Die
vermitteln mir das Gefühl, als nehmen sie mich so wahr. Ich störe deren Kleinstadtidyll.«
Michaels Arm regte sich unter Sabines Schulter. Er zog sie wieder enger an sich, aber so, dass er ihr in die Augen blicken konnte.
»Immer noch das alte Spiel?«, fragte er dann. »Oder liegt es an dem neuen Kollegen?«
In ihren Augenwinkeln verschwammen die Konturen, doch Sabine kämpfte dagegen an. Keine Tränen.
»Erzähl mal von vorne«, erklang derweil Michaels Stimme, während sie ihre Gedanken ordnete. Und dann berichtete die Kommissarin von dem neuen Fall, von den Spitzfindigkeiten ihres Kollegen und von der jüngsten Verhaftung, die gegen ihre Überzeugung durchgeführt worden war.
»Klingt nach einer Menge Chauvinismus, einer Prise Inkompetenz und einem Tankwagen voller Politik, hm?«, schloss Michael Schreck, nachdem sie geendet hatte.
»Verteilt zu ungleichen Portionen, ja. Ich habe manchmal das Gefühl, als wären Dinge wie Subtilität oder Feingefühl hier völlig unbekannt. Und dann dieser Typ mit seiner klapprigen Diesellok. Fährt mir immer wieder in die Parade, auch wenn er’s vielleicht gar nicht so meint. Ich glaube, der merkt es nicht mal. Aber manchmal frage ich mich, was er sich einbildet. Und vor allem, worauf?«
»Harte Worte.«
»Harter Job.
Weitere Kostenlose Bücher