Giftspur
zurecht und suchte dann ächzend das Telefon, welches noch immer in ihrer Hosentasche steckte.
Angersbach, der sich gerade warme Luft in die Handhöhle hauchte, schenkte ihr einen schwer zu deutenden Blick.
»Haben Sie noch einen Termin?«
»Äh, ja«, gab sie ein wenig überrumpelt zurück. »Mein Freund kommt jede Minute mit dem ICE aus Berlin an. Ich würde daher gerne in einer halben Stunde am Bad Vilbeler Bahnhof sein.«
»Ihr Freund?«
Spreche ich Spanisch?
Warum wiederholte Angersbach ihre Worte wie ein Papagei, wenn er doch genau verstanden zu haben schien, was sie gesagt hatte. Dann erst realisierte die Kommissarin, dass sie wie beiläufig ihre Schuld vom Vorabend beglichen hatte, denn bis dato hatte sie ihrem Kollegen noch nichts von Michael erzählt.
»Freund, Lebensgefährte, wie auch immer«, tat sie die Sache schnell ab. »Hatte ich Ihnen das gestern nicht erzählt?«
»Nein«, grinste Angersbach und schenkte ihr einen vielsagenden Blick.
Verdammt.
Sabine schämte sich in Grund und Boden. Warum hatte sie zugelassen, dass dieses Thema ausgerechnet gegenüber ihrem anstrengenden Kollegen so aufgebauscht wurde? Immerhin waren sie nur
Berufspartner
und nicht, wie dieser bescheuerte Leydt behauptet hatte, ein altes Ehepaar.
Zu allem Überfluss stürmte just in diesem Augenblick der Polizeipsychologe aus der Eingangstür.
»Gut, Sie sind noch da«, keuchte er abgehetzt, mit einem erleichterten Lächeln.
»Wir sind im Begriff zu gehen«, brummte Angersbach und wollte sich schon in Bewegung setzen, als Volker Leydt hastig fragte: »Können Sie mich bitte mit zurück in die Stadt nehmen? Die Techniker düsen direkt nach Friedberg, und ich würde gern …«
Die Stirn des Mannes triefte förmlich vor Schweiß. Der Versuch, die Lockenmähne unter eine Strickmütze zu zwängen, war gründlich gescheitert, wie Sabine amüsiert feststellte. Dampfschwaden stiegen auf. Entweder schien Leydt innerlich zu glühen, oder aber er hatte sich in verzweifelte Eile gestürzt, um seine Mitfahrgelegenheit nicht zu versäumen.
Letzter Aufruf für die Passagiere nach Bad Vilbel …
Sabine wollte ihn gerade von seiner Pein befreien, als sie von Ralph ein triumphierendes »Ha!« vernahm. Sie zuckte zusammen und folgte mit fragendem Blick dem Zeigefinger ihres Kollegen, der in Richtung seines Geländewagens schnellte. Er musste es nicht aussprechen, damit Sabine die Anspielung verstand, und sie war zu müde, um sich in einen neuen Schlagabtausch zu stürzen.
»Klar, steigen Sie ein, wir fahren zur Dienststelle«, grinste Angersbach breit und ergänzte süffisant: »Ich habe genug Plätze frei.«
Das Wiedersehen mit Michael Schreck hatte beinahe filmische Ausmaße, wie er, als sie Arm in Arm zum Parkplatz schlenderten, ironisch anmerkte. Rhett Butler trifft Scarlett O’Hara, die sich ihm schmachtend an den Hals wirft. Vergleiche wie diese zog der Filmfreak oft und gerne, stets darauf bedacht, sich mit einer positiven Rolle zu besetzen. Sabine sah ihm diese Marotte gerne nach, denn er meinte es ja nicht abfällig. Michael Schreck war in dieser Hinsicht das gütige Gegenteil zu dem überheblichen Kommissar aus Gießen. Er war ein Technik-Freak, aber kein Nerd. Ein Typ, mit dem man
Terminator
schauen konnte und der die Actionfilme der achtziger Jahre liebte, der sich aber auch gerne auf die
Brücken am Fluss
oder
Tatsächlich Liebe
einließ.
»Ich war doch kaum eine Woche weg«, fügte er lächelnd hinzu, als sie den Twizy erreichten, den die Kommissarin gerade noch rechtzeitig von der Dienststelle wegbewegt hatte, um pünktlich am Bahnhof einzutreffen. Sie ließ einem tiefen, kehligen Seufzer freien Lauf. »Aber
was
für eine Woche!«
Dann, nach einer kurzen Pause: »Möchtest du fahren?«
Michael lehnte dankend ab. Er klappte die Gepäckhalterung am Heck hinab und wuchtete seinen Rollkoffer darauf, woraufhin der Wagen deutlich einfederte.
»Kippt der mir jetzt auf den Kopf?«, grinste er.
»Fang
du
nicht auch noch an.«
Er küsste Sabine kurzerhand auf die Stirn und kletterte ins Innere. »So schlimm?«
»Schlimmer. Aber lass uns erst zu mir fahren, in Ordnung?«
»Gerne.«
Zehn Minuten später, eine Zeitspanne, die gerade ausreichend gewesen war, um einen kurzen Abriss über die Tagung zum Besten zu geben, standen sie vor Sabines Wohnung.
»Schau nicht so genau hin, bitte«, murmelte sie, während sie, unter dem Arm ein Bündel Kuverts und Wurfsendungen, die Tür aufschloss. »Ich bin die Woche über zu
Weitere Kostenlose Bücher