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Giftspur

Giftspur

Titel: Giftspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Holbe
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alles organisiert werden musste. Am schlimmsten jedoch war etwas ganz anderes. Wenn man allen psychologischen Gedankenspielen der Beamten nachging, bestand durchaus die Möglichkeit, dass Ulfs Mörder der Zeremonie beiwohnen würde.
    Gunnars abfälliges Lachen riss Claudia jäh aus ihren in Verzweiflung abdriftende Gedanken.
    »Der hat sich längst abgesetzt, wenn du mich fragst«, knurrte er, »wir sollten uns endlich wieder dem Alltagsgeschäft widmen.«
    Daher also wehte der Wind. Claudia hätte es sich denken können, dass Volz’ Besorgnis weniger ihrer Person als vielmehr seinem eigenen Profit galt. Und seinen düsteren Begierden, von denen sie schon lange wusste, aber denen sie niemals nachgeben würde. Nicht in diesem Leben.
    »Das Risiko ist viel zu groß«, widersprach sie kopfschüttelnd. »Bevor mein Vater nicht beerdigt ist …«
    »Dein
Vater
«, wiederholte er und lachte erneut auf seine grausam süffisante Art. »Du müsstest dich mal reden hören! Hallo! Es ist keiner da, dem du etwas vorspielen musst, also mime nicht die trauernde Tochter.«
    »Ich
trauere
aber«, entgegnete Claudia trotzig. »Was weißt
du
schon.«
    »Genug.« Gunnar stand schwungvoll auf und klatschte in die Hände. »Ich erwarte meinen Anteil, so wie immer. Die Schonfrist endet am Sonntag. Andernfalls wird das nächste Kaffeekränzchen mit diesen beiden trotteligen Kommissaren in meiner bescheidenen Hütte stattfinden.«
    »Dafür fehlt dir die Courage«, schnaubte Claudia. »Du hängst viel zu tief drinnen.«
    »Beweise es mir«, grinste Volz und zog eine Grimasse. Mit diesen Worten ließ er Claudia stehen und trottete in Richtung Haustür.
    »Sonntag«, rief er im Hinausgehen, Sekunden, bevor er die Tür schallend ins Schloss warf.
Sonntag.
    Claudia Reitmeyer schluckte und wandte sich wieder ihrem Computer zu.
     
    Die Tür des Vernehmungszimmers schnappte mit einem gedämpften Klacken ins Schloss. Abgestandene Heizungsluft drang in Sabines Nase, vermischt mit einem Duft nach Zigarettenrauch und Kaffee. Das Verhör von Victor Elsass hatte etwas von altem Kaugummi, zäh, fade und mit schalem Beigeschmack.
    Nach dessen Abtransport hatte Ralph Angersbach sich von einem Unfallarzt untersuchen lassen. Seine rechte Schulter war geprellt, er konnte den Arm nur unter starken Schmerzen über die Waagerechte heben, aber ansonsten schien alles halb so wild. Der Röntgenbefund zeigte, dass es keine Frakturen gab, allerdings prophezeite der Mediziner, dass die Schmerzen über mehrere Wochen anhalten könnten. Das rosafarbene Papier, auf dem der Kommissar Ibuprofen verschrieben bekommen hatte, war in den nächstbesten Mülleimer gewandert. Ob er eine Krankmeldung erhalten hatte, darüber schwieg er sich aus, auch, als Sabine gezielt nachfragte. Seine einzigen Worte waren gewesen:
    »Nehmen wir uns diesen Elsass endlich vor?«
    Doch dieser war bestens vorbereitet, hatte einen Rechtsbeistand bestellt, und der war kein Geringerer als Dr. Brüning. Sabine hatte den Anwalt beiseitegenommen und ihn gefragt, ob er nicht in einen Interessenkonflikt geraten würde, doch dieser gab sich unnahbar.
    »Dr. Elsass ist keine kriminelle Handlung nachzuweisen«, wehrte er ab. »Keine Ihrer Anschuldigungen trifft auf ihn zu.«
    Entsprechend selbstsicher gab sich Elsass, die Aufnahmen ihres bisherigen Gesprächs waren zum Gähnen langweilig, und Sabine beneidete niemanden, der sich die Vernehmungsbänder erneut anhören musste. Selbst die Tatsache, dass sich unter seinen Habseligkeiten ein Flugticket der Lufthansa nach Kuala Lumpur befand, schien ihn nicht in Verlegenheit zu bringen.
    »Was machen wir?«, wandte sie sich an Angersbach, der sich ächzend in die rechte Hosentasche langte und kurz darauf einen Euro zutage förderte.
    »Kaffee«, erwiderte dieser trocken und verzog das Gesicht. Sie schlenderten ohne Hast in Richtung des Automaten. Sollte Elsass doch schmoren.
    Kurz bevor sie in den Vernehmungsraum zurückkehrten, kam Mirco Weitzel wie ein aufgescheuchtes Huhn durch den Gang geeilt und flüsterte Angersbach etwas zu. Sabine stand bereits in der Tür und wurde von Elsass’ durchdringendem Blick gemustert. In seinen Augen lag keine Angst, nur verachtende Gleichgültigkeit. Als Angersbach ebenfalls eingetreten war, erhob er sich und verlangte: »Ich möchte jetzt gehen.«
    Seine Worte waren derart überzeugend vorgetragen, dass die Kommissarin überrascht schluckte.
    »Gehen?«,
wiederholte sie irritiert, und Elsass nickte.
    »Sie haben keine

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