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Giftweizen

Giftweizen

Titel: Giftweizen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Schroll
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vorgestellt?
Dr. Franz Carow wurde klar, dass etwas Merkwürdiges geschehen sein musste, denn er kannte Friedrich Renz nicht als zerstreuten Kollegen, der schnell aus der Fassung geriet. Besorgt bot er an: »Wollen Sie mir nicht erzählen, was passiert ist? Gehen wir doch auf einen Kaffee in die Kantine.«
Dieser aus kulinarischer Sicht völlig abwegige Vorschlag half Friedrich Renz augenblicklich zurück in die Gegenwart. »Ha! In die Kantine!? Der Kaffee dort ist ungenießbar«, beschied er vehement und lief ohne Erklärung los, darauf vertrauend, dass Dr. Carow ihm folgte.
Der aber war zu überrascht vom jähen Davonstürzen des Gerichtsmediziners; er stand immer noch vor dem Fahrstuhl und überlegte, was seinen normalerweise sehr umgänglichen Kollegen dermaßen empörte, dass er ihn ohne ein Wort einfach stehen ließ.
Als Dr. Renz nach einigen Metern auffiel, dass Dr. Carow ihn nicht begleitete, forderte er ihn mit einer einladenden Armbewegung auf. »Nun kommen Sie schon, ich koche uns bei mir unten einen richtigen Kaffee. Frische Butterkekse aus der Konditorei am Wall kann ich auch anbieten. Und erzählen muss ich Ihnen einiges. Sie werden staunen!«

Das tat Dr. Carow allerdings. »So eine Unverfrorenheit!«, schimpfte er. »Wer gibt sich da als meine Person aus?«, verärgert schob er sich einen der Kekse in den Mund. Ihm behagte es ganz und gar nicht, dass jemand seine Identität gestohlen hatte. »Verdammt unangenehm!«
Dr. Renz setzte seine Tasse deutlich hörbar ab. »Was soll ich da erst sagen! Ich bin auf einen Betrüger reingefallen. Damit war wirklich nicht zu rechnen! Das ist mir richtig peinlich.« Nur wenig Trost fand Friedrich Renz in dem Gedanken, dass offenbar auch der Kreisarzt auf den Schwindel hereingefallen war. Oder? Möglicherweise war der erste, kurze Anruf auch fingiert gewesen und kam gar nicht aus dessen Büro. Ja, da gab es nur einen Schluss: Er war kräftig von jemandem hinters Licht geführt worden!
»Und mein Name wurde dafür benutzt!« Dr. Franz Carow klang, als würde das der eigentliche Gipfel der Frechheit sein.
Nach der kurzen Phase der Verstimmung verhalfen die gemeinsame Empörung und der heiße, starke Kaffee den beiden Männern zu ausreichend Entschlossenheit und Fantasie, um das Problem konstruktiver zu diskutieren. Ihre Laune wurde zunehmend besser.
»Versuchen wir doch mal, den Schurken einzukreisen«, schlug Dr. Carow vor.
Dr. Renz fand die Idee hervorragend und begann, sich Notizen zu machen. Er nahm blütenweißes Papier und einen eleganten, versilberten Kugelschreiber zur Hand.
Dr. Carow begann munter: »Na, es muss augenscheinlich jemand gewesen sein, der sich hier im Krankenhaus richtig gut auskennt. Sogar unsere Gepflogenheit, Sie gelegentlich um Unterstützung zu bitten!«
Dr. Renz schrieb kurz und führte dann an: »Ich erinnere mich, dass Sie in dem Telefonat, das wir nicht geführt haben, meinten, Sie seien am Freitag im Hause, wenn etwas wäre. Also musste der Anrufer auch Ihren Dienstplan gekannt haben.« Der Gedanke wurde notiert.
»Das ist nicht weiter schwierig, der Dienstplan hängt im Schwesternzimmer der Abteilung, groß und deutlich.«
»Und wer kommt da rein?«
Dr. Carow seufzte: »Na Sie wissen doch, alle Schwestern, die Ärzte, die Studenten, die Putzfrauen, gelegentlich ein Patient – das sind schon eine Menge Leute.«
»Na, so viele bleiben ja nun auch wieder nicht übrig, wenn ich Sie erinnern darf, dass ich mit einem Mann telefoniert habe. Am Donnerstagnachmittag.«
Dr. Carow dämpfte den Optimismus seines Kollegen: »Der Anruf muss ja nicht mal aus dem Krankenhaus gekommen sein … Klang seine Stimme denn wie meine?« Er war der Überzeugung, ein unverwechselbares Timbre zu haben.
»Die Stimme? Sie passte jedenfalls zu Ihnen. Woher soll ich denn genau wissen, wie Ihre Stimme am Telefon klingt«, bemerkte Dr. Renz einschränkend und unterbrach seine Notizen, »wir telefonieren doch kaum miteinander. Überlegen Sie mal, wie oft in den letzten paar Jahren: zwei-, dreimal?«
Zustimmend wiegte Dr. Carow den Kopf. Ihn plagten aber immer noch Zweifel. »Und alles hat normal ausgesehen, routinemäßig? Die Leichen? Die Akten?«
»Ja. Alles war gut vorbereitet, bis in die letzte Kleinigkeit«, war sich Dr. Renz sicher.
»Der Anrufer musste also wissen, welche Leichen Sie im Keller hatten, Herr Kollege.« Dr. Carow stutzte etwas, als ihm die unbeabsichtigt genutzte Redewendung auffiel. »Möglicherweise könnte sich der Kerl die Akten auch in der

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