Giftweizen
Wohlbefindens und seiner Vitalität war.
Walter Dreyer hatte den Mann satt und wollte weiter. Er stand ohne Kommentar auf und verabschiedete sich.
Die Korrektheit seiner Angaben zu überprüfen, dauerte nur Minuten. Die junge Frau bestätigte, dass sie seit letzter Woche jeden Vormittag mit ihm verbracht hatte. Schließlich hatte er ihr erzählt, dass seine Frau ihn seit Monaten vernachlässige. »Und ein Mann hat nun mal gewisse Bedürfnisse, oder?«, sagte sie und lächelte auffordernd.
Ohne Bestätigung grüßte Walter Dreyer und ging.
Nun blieb nur noch eine Überprüfung in Gardelegen. Vielleicht hatte Walter Dreyer diesmal Glück. Sonst würden sie sich über den Kreis hinaus bewegen müssen, und das war langwierig und könnte sogar Monate dauern.
Genau vor dem Eingang zum Wohnhaus des Gesuchten stand der braune Skoda, mit geöffnetem Kofferraum! Dreyer sah neugierig hinein. Verdreckt und leer.
»Suchen Se wat Bestimmtes?«, wurde er in rüdem Ton angefahren und blickte auf. Ein korpulenter Mann in bekleckerter Malerkluft sah ihn misstrauisch an. Unter den rechten Arm hatte er mehrere Rollen Raufasertapete geklemmt und in der linken Hand hielt er eine Zigarette.
»Ja. Ich suche den Besitzer«, antwortete Walter Dreyer und zeigte auf das Fahrzeug.
»Wir sind voll, bis zum Herbst ist nischt mehr drin.«
»Hm.« Walter Dreyer schwieg und wartete, ob sich diese unerwartete Absage irgendwie auflösen würde. Sein beharrlicher Blick schaffte es, dass der Maler weiter redete: »Oder haben Se selber Tapeten?«
»Nein«, antwortete Walter wahrheitsgemäß. Tapeten?
»Dann haben Se keene Chance«, beschied ihn der knurrige Handwerker. »Ich muss los!«
Walter Dreyer stellte sich dem eiligen Vorhaben des Mannes in den Weg. »Ich bin von der Polizei und hätte ein paar Fragen an Sie, Herr ...?«
Dem Maler war sofort sein schlechtes Gewissen anzusehen. »Erich Laude.« Er blickte ärgerlich auf das Fahrzeug. »Wassn los? War ich wieder mal zu schnell?«, versuchte er abzulenken.
Walter Dreyer antwortete ruhig: »Wieso glauben eigentlich immer alle, es ginge um ihr Fahrverhalten, wenn die Polizei Fragen zum Auto stellt? Ich bin hier, weil Sie letzten Freitag auf der illegalen Müllkippe zwischen Wiepke und Waldau gesehen wurden.«
»Scheiße! Das musste ja mal schief gehen!«, schimpfte Laude laut los und schmiss die dicken Tapetenrollen achtlos in den Kofferraum. »Ich hab’s gewusst!«
»Was haben Sie gewusst?« Walter war hoch erfreut über das Gelingen seines Bluffs, ließ sich das aber nicht anmerken.
»Na, dass man uns mal erwischt.« Der Maler holte eine Schachtel Streichhölzer aus seiner Hosentasche und zündete sich die Zigarette an. Der Moment reichte ihm offensichtlich, sich eine Schutzbehauptung einfallen zu lassen: »Dabei wollten wir uns nächste Woche anmelden.«
Da Walter Dreyer immer noch nicht so recht wusste, worauf das eigentlich hinauslief, meinte er nur provokant: »Tatsächlich?«, bevor er den Mann aufforderte: »Ich höre!«
Laude nahm einen tiefen Zug, lehnte sich an sein Auto und stieß eine gewaltige Rauchwolke aus. Dann sagte er: »Wir arbeiten abends und am Wochenende. Renovieren Wohnungen.«
Aha. Nun konnte Walter Dreyer die Nervosität des Mannes deuten. Doch er musste es genau wissen und fragte: »Als genehmigte Feierabendarbeit?« Der ständige Mangel an Fachkräften vieler Gewerke hatte es notwendig gemacht, legale Nebentätigkeiten im Bau- und Renovierungsgewerbe zu ermöglichen. Viele mehr oder weniger begabte Leute nutzten diese offizielle Möglichkeit des Zuverdiensts. Aber eine erhebliche Anzahl erledigte derartige Dienstleistungen weiterhin illegal und verlangte oftmals mehr Geld als üblich oder nahm bevorzugt D-Mark oder Forum-Schecks für den Einkauf in den Intershops als Bezahlung an. Inzwischen war die Handwerkerfrage »Forum geht es?« zu einem geflügelten Wort geworden. Walter Dreyer wusste jetzt, dass er mit dem neben ihm stehenden Maler einen Vertreter der schwarzarbeitenden Truppe vor sich hatte.
Erich Laude druckste auch nicht lange herum: »Offiziell sagen wir das schon, doch eigentlich, na ja, Sie wissen doch, wie das so läuft. Wenn man sich’s genehmigen lässt, zahlt man Steuern und hat weniger auf der Hand. Da trickst man eben ein bisschen rum.«
»Wie denn?«
»Manche melden die Feierabendarbeit an und machen die meisten Aufträge dann doch, ohne die Gelder anzugeben.«
Walter Dreyer wollte sich in die Schwarzarbeit des Malers nicht weiter vertiefen. Die
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