Gilbert, Elizabeth
viel
Glück Richard doch hat, auch nach der Trennung noch mit seiner früheren Frau
befreundet zu sein. Das ist eine der merkwürdigen Nebenwirkungen meiner
schrecklichen Scheidung; wann immer ich von Paaren höre, die sich in
Freundschaft getrennt haben, werde ich eifersüchtig. Schlimmer noch -
inzwischen finde ich es sogar richtiggehend romantisch, wenn eine Ehe auf
zivile Weise endet. Etwa so: »Ah wie süß ... Die müssen sich ja wirklich
geliebt haben ...«
Daher erkundigte ich mich eines Tages bei Richard danach.
»Ich habe den Eindruck«, sagte ich, »als hättest du immer noch zärtliche
Gefühle für deine Exfrau. Steht ihr euch immer noch nahe?«
»Nö«, meinte er. »Sie glaubt, ich hätte mich inzwischen in
>Arschloch< umbenannt.«
Richards Unbekümmertheit beeindruckte mich. Mein eigener
Exmann glaubt zufällig auch, ich hätte meinen Namen geändert, und es bricht mir
das Herz. Am schlimmsten ist für mich, dass mein Exmann mir die Scheidung nie
verzieh, ganz egal, wie oft ich mich bei ihm entschuldigte, wie viel Schuld ich
auf mich nahm oder wie viele Vermögenswerte oder Zerknirschung ich ihm als
Wiedergutmachung anbot - er würde mir mit Sicherheit nie ein Kompliment machen
und etwa sagen: »Hey, ich war wirklich beeindruckt von deiner Großzügigkeit und
Aufrichtigkeit und wollte dir nur sagen, dass es mir ein großes Vergnügen war,
mich von dir scheiden zu lassen.« Nein. Nichts konnte mich erlösen. Und diese
fehlende Erlösung klaffte noch immer wie ein dunkles Loch in mir. Sogar in
glücklichen und erfüllten Augenblicken (ja, besonders dann) konnte ich es nicht
lange vergessen. Noch immer hasst er mich. Und ich
hatte das Gefühl, als würde sich das nie ändern, nie aufhören.
Eines Tages besprach ich all das mit meinen Freunden im Ashram
- unter ihnen seit kurzem ein Klempner aus Neuseeland, ein Typ, den ich kennen
lernte, weil er »von der amerikanischen Schriftstellerin gehört hatte« und
mich aufsuchte, um mir zu erzählen, dass er ebenfalls Schriftsteller sei. Er
hat unter dem Titel A Plumber's Progress in
Neuseeland ein sagenhaftes Erinnerungsbuch über seine spirituelle Reise veröffentlicht.
Der Klempner/Dichter aus Neuseeland, Richard aus Texas, der irische Farmer, der
indische Wildfang Tulsi und Vivian, eine ältere Frau mit weißem Haar und
strahlen den Augen (die einst Ordensschwester in Südafrika gewesen war) - aus
diesen Leuten setzt sich mein hiesiger Freundeskreis zusammen, eine äußerst
dynamische Gruppe.
Und so führten wir eines Tages beim Mittagessen ein Gespräch
über die Ehe, in dessen Verlauf der Klempner/Dichter aus Neuseeland meinte:
»Ich betrachte die Ehe als Operation, bei der zwei Leute zusammengenäht
werden, die Scheidung aber als eine Art Amputation, deren Heilung viel Zeit in
Anspruch nehmen kann. Je länger man verheiratet war, umso schmerzhafter ist die
Amputation, und umso schwieriger ist es, sich davon zu erholen.«
Das würde die Post-Scheidungs-, Post-Amputationsgefühle
erklären, die ich nun schon seit Jahren verspüre, so als schleppte ich immer
noch dieses Phantomglied mit mir herum ...
Ob ich mir denn für den Rest meines Lebens von meinem
Exmann vorschreiben lassen wolle, wie ich mich zu fühlen hätte, fragte Richard,
und ich erwiderte ihm, dass ich es im Grunde nicht wisse. Bis jetzt schien mein
Ex ja noch ziemlich viel Einfluss auf mich zu haben, und, ehrlich gesagt, wartete
ich immer noch darauf, dass er mir verzieh, mich freigab und ziehen ließ.
»Auf diesen Tag zu warten«, bemerkte der irische Farmer,
»ist ja nicht gerade der vernünftigste Umgang mit deiner Zeit.«
»Was soll ich sagen, Jungs? Ich kann mit Schuld eben viel
anfangen. So ähnlich, wie andere Frauen mit der Farbe Beige 'ne Menge anfangen
können.«
Davon wollte die ehemalige Ordensschwester nichts hören.
»Schuld ist nur eine Methode deines Egos, dir moralischen Fortschritt zu
suggerieren. Fall bloß nicht darauf herein, meine Liebe.«
»Was ich hasse«, sagte ich, »ist dieses Unabgeschlossene. Meine
Scheidung ist eine offene Wunde, die einfach nicht heilen will.«
»Wenn du darauf bestehst«, sagte Richard, »wenn du es
unbedingt so sehen willst, dann will ich dir das nicht ausreden.«
»Irgendwann muss es doch aufhören«, sagte ich.
Als die Mittagspause vorbei war, drückte mir der Klempner/Dichter
aus Neuseeland einen Zettel in die Hand. Nach dem Abendessen, stand darauf,
wolle er mich treffen; er wolle mir etwas zeigen. Also traf ich ihn nach
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