Gilde der Jäger 01 - Engelskuss
Fähigkeiten.«
»Selbst wenn ich Engel wittern könnte«– was sie eben nicht konnte–, »kann ich doch nicht hexen«, sagte sie verdrossen. »Irgendwo muss ich mit der Suche anfangen. Und wenn Sie mir nichts weiter sagen können oder wollen, dann muss ich das aus seiner Persönlichkeit, seinen Verhaltensmustern schließen.«
Er ging direkt auf sie zu und überwand dabei die von ihr so sorgfältig gewahrte Distanz. »Urams nächster Schritt lässt sich nicht vorhersagen. Noch nicht. Wir müssen warten.«
»Worauf?«
»Blut.«
Von diesem einzigen Wort ging eine Kälte aus, die ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. »Was hat er getan?«
Raphael strich ihr leicht mit einem Finger über die Wange. Sie zuckte zusammen. Nicht etwa, weil er ihr wehtat. Im Gegenteil. Wo er sie überall berührte… als hätte er eine direkte Verbindung zu ihren sinnlichsten weiblichen Zonen. Von einer einzigen Berührung war sie feucht geworden. Doch sie würde nicht zurückweichen, sich nicht geschlagen geben.
»Was«, sagte sie gleich noch mal, »hat er denn getan?«
Der Finger glitt über ihr Kinn, fuhr sanft den Hals entlang und bescherte ihr quälende und ungewollte Lust. »Nichts von Belang. Nichts, was Sie auf die richtige Spur bringen könnte.«
Mühsam schob sie seine Hand beiseite; sie wusste, dass es ihr nur gelang, weil er sie gewähren ließ. Und das reizte sie. »Sind Sie langsam fertig mit Ihren Sexspielchen?«, fragte sie ihn unverblümt.
Diesmal war sein Lächeln mehr als nur eine Andeutung, und seine Augen schlugen von Schwarz zu beinahe Kobaltblau um. So lebendig. Elektrisierend. »Ich habe Ihre Gedanken nicht beeinflusst. Diesmal nicht.«
Mist.
Er hatte gelogen. Natürlich hatte er gelogen. Mit einem Seufzer der Erleichterung ließ sich Elena auf das Sofa fallen. So blöd war sie schließlich nicht, dass sie sich von einem Erzengel angezogen fühlte. Blieb also nur noch die zweite Möglichkeit: Raphael hatte in ihrem Kopf seine Spielchen gespielt, und dass er es nun abstritt, war lediglich eine List, um sie noch mehr zu verwirren.
Doch eine lästige kleine Stimme in ihrem Kopf wisperte fortwährend, dass diese Art der Beeinflussung gar nicht zu dem passte, was sie bislang über Raphael zu wissen geglaubt hatte. Auf dem Dach hatte er kein Hehl daraus gemacht, dass er in ihre Gedanken eingedrungen war. Es war wohl unter seiner Würde zu lügen. »Ha!«, sagte sie zu ihrer inneren Stimme. »Mein Wissen über ihn reicht noch nicht einmal aus, um damit einen Fingerhut zu füllen– er manipuliert die Menschen schon seit Jahrhunderten. Darin ist er gut.« Nicht bloß gut. Profi.
Und jetzt war sie ihm ausgeliefert.
Sofern er seine Meinung innerhalb der letzten Stunden, seit ihrem abrupten Verschwinden vom Ententeich, nicht geändert hatte. Ihre Laune besserte sich zunehmend. Sie schaltete ihren Laptop ein und rief mittels ihrer kabellosen Internetverbindung ihr Gildekonto auf. Auf ihrem Auszug war ein neuer Zahlungseingang vermerkt.
»Zu viele Nullen.« Sie holte tief Luft. Zählte noch einmal. »Immer noch zu viele.«
Und zwar so viele, dass die immerhin doch beträchtliche Summe von Mr Ebose dagegen wie ein Trinkgeld wirkte.
Elena schluckte und scrollte mit schweißnassen Händen die Seite hinunter. Die Zahlung kam vom »Erzengelturm: Manhattan«. Sie hatte es gewusst. Natürlich hatte sie es gewusst. Doch es hier schwarz auf weiß vor sich zu sehen, versetzte ihr dennoch einen Schock. Der Vertrag war besiegelt. Ganz offiziell arbeitete sie jetzt für Raphael. Und zwar ausschließlich für ihn.
Ihr Gildestatus war von »Im Einsatz« geändert worden auf »Unter Vertrag: Zeitdauer unbestimmt«.
Elena klappte den Rechner zu und starrte zu dem Turm hinüber. Irgendwie konnte sie es nicht glauben, dass sie erst an diesem Morgen oben auf dem Wolkenkratzer gestanden hatte, dass sie es gewagt hatte, einem Erzengel zu widersprechen, doch vor allem konnte sie nicht glauben, was Raphael von ihr wollte. In ihrem Bauch wimmelte es von Tausenden winzig kleiner Tierchen, die Übelkeit und Panik auslösten… und eine seltsam freudige Erregung. Durch diese Art von Auftrag wurden Jäger zu Legenden. Um eine Legende zu werden, musste man natürlich erst einmal tot sein.
Glücklicherweise unterbrach das Klingeln des Telefons ihre unseligen Gedanken. »Was?«
»Ich wünsche dir auch einen schönen Tag, meine Liebe«, ertönte Saras vergnügte Stimme.
Doch Elena ließ sich nicht so leicht täuschen. Ihre Freundin
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