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Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Titel: Gilde der Jäger 02 - Engelszorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N. Singh
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überleben. Dazu war sie zu jung, seine neugeborene Unsterbliche.
    Als sie in seinen Armen geborgen war, die Hände um seinen Hals schlang und die Lippen an seine Brust drückte, erschauerte er, dann hielt er sie sicher und fest umfangen und stieg in den rot glühenden Abendhimmel auf. Statt hoch über die Wolkendecke zu steigen, flog er tief, sorgfältig darauf bedacht, dass es Elena nicht zu kalt wurde. Doch hätte er gewusst, auf was sie unterwegs stoßen würden, hätte er sich für eine andere Lösung entschieden. Elena sah den Albtraum als Erste.
    »Raphael! Pass auf!«
    Bei dem drängenden Klang ihrer Stimme hielt er sofort in seinem Flug inne und schwebte genau über der Grenzlinie, die zwischen seinem und Elias’ Gebiet verlief. Selbst hier in der Zufluchtsstätte gab es Grenzen – unsichtbare, unausgesprochene, aber dennoch Grenzen. Ein Machtbereich durfte nicht zu dicht am nächsten liegen, um Auseinandersetzungen und Zerstörungen, die vermutlich die gesamte Population ausrotten würden, zu vermeiden. »Was ist denn?«
    »Da, sieh!«
    Als er in die von Elena gewiesene Richtung blickte, sah er eine Gestalt, die im Licht der Sonne in tausend kupferroten Tönen leuchtete. Raphael hatte schärfere Augen als ein Raubvogel, dennoch konnte er keine Bewegung, kein Lebenszeichen erkennen. Aber was er sehen konnte, war, was diesem Mann angetan worden war. Jähe Wut packte ihn.
    »Bring mich dort hinunter, Raphael.« Geistesabwesend gab sie ihm die Anweisung, ihr Blick war fest auf den Körper geheftet, der zusammengekrümmt dalag, so als hätte er einen letzten verzweifelten Versuch unternommen, die grauenhaften Verletzungen zu lindern, die ihm zugefügt worden waren. »Auch wenn der Täter keine unmittelbaren Spuren hinterlassen hat, kann ich seine Witterung aufnehmen.«
    Raphael rührte sich nicht. »Du befindest dich erst am Anfang deiner Genesung.«
    Elena fuhr wütend mit dem Kopf hoch, ihre silbernen Augen funkelten wie flüssiges Quecksilber. »Wage es ja nicht, mich von meiner Berufung abzuhalten. Ich warne dich.« Diese Worte und ihr Zorn wurden in einem Ton hervorgebracht, der die Vertrautheit mit ihnen verriet.
    Seit sie aus dem Koma erwacht war, hatte er zweimal die Herrschaft über ihren Geist übernommen, beide Male, um sie davor zu bewahren, sich selbst zu verletzen.
    Heute trieb ihn derselbe Instinkt an, ihren Befehl einfach zu ignorieren – sie mochte eine geborene Jägerin sein, aber sie war noch lange nicht kräftig genug, um es mit dieser Situation aufzunehmen.
    »Ich weiß ganz genau, was du denkst«, sagte Elena voller Schmerz, »doch wenn du mir meinen Willen nimmst und mich zwingst, gegen meine Natur zu handeln, werde ich dir das niemals verzeihen.«
    »Ich werde nicht noch einmal zusehen, wie du stirbst, Elena.« Der Kader hatte sie damals ausgewählt, weil sie die Beste war, unermüdlich bei ihrer Jagd auf Beute. Aber schließlich war sie damals auch noch ganz unbedeutend gewesen. Jetzt hingegen war sie ein fester Bestandteil seines Lebens.
    »Achtzehn Jahre lang« – düstere Worte, ein gehetzter Blick – »habe ich mich meinem Vater zuliebe verstellt. Habe versucht, gegen meine Jägernatur anzukämpfen. Jeden Tag bin ich dabei ein bisschen mehr gestorben.«
    Er kannte sich gut. Wusste, wozu er imstande war. Aber genauso gut wusste er auch, dass er sich bis in alle Ewigkeit verachten würde, wenn er ihren Willen brach. »Du wirst genau tun, was ich dir sage.«
    Sofort nickte sie bereitwillig. »Mir ist das Gebiet hier unbekannt – ich werde nicht unüberlegt handeln.«
    Raphael schwebte zu Boden und landete sanft in einiger Entfernung von dem Körper, der im Schatten eines verwitterten zweistöckigen Hauses lag. Ein paar Sekunden lang hielt Elena sich noch an ihm fest, als ob sie sich ihrer Muskelkraft erst einmal vergewissern müsste, bevor sie sich über den übel zugerichteten Vampir beugte. Raphael ließ sich neben ihr auf die Knie fallen und legte prüfend den Finger an die Schläfe des Vampirs. Der Puls war nämlich bei den Geschaffenen nicht unbedingt ein zuverlässiges Lebenszeichen.
    Es dauerte einige Zeit, bis Raphael den Widerhall des Vampirgeistes spürte, sehr schwach – der Mann stand schon mit einem Bein im Grab. »Er lebt noch.«
    Elena atmete hörbar auf. »Oh Gott, irgendjemand wollte ihn richtig leiden lassen.« Der Vampir war so übel zusammengeschlagen worden, dass er nur noch wie ein roher Fleischklumpen aussah. Vielleicht hatte er einmal gut ausgesehen,

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