Gilde der Jäger: Engelsblut (German Edition)
tot « – gelassener Tonfall, ruhige Worte, bei denen ihr die Nerven durchgingen – »und dass es keinen Grund mehr für ihn gebe, seine Gelüste zu zügeln .« Er trat einen Schritt zurück und strich ihr mit einem Finger eine lose Haarsträhne hinters Ohr.
Die Zartheit dieser Geste beruhigte sie nicht – nicht wenn sie seine Wut scharf wie eine Messerklinge an ihrem Hals spürte. »Das ergibt keinen Sinn .« Nur mit Mühe konnte sie verhindern, dass ihre Stimme zitterte – ja, er gehörte zu ihr, doch bisher hatte sie nur an seiner Oberfläche gekratzt. »Selbst wenn er das geglaubt hätte, warum hätte er hierherkommen sollen, an diesen Ort ?« Sie war nicht egozentrisch genug, um zu glauben, dass es irgendetwas mit ihr zu tun hatte. Nein, Raphael war das Ziel, sie war nur der schwache Punkt in seiner Abwehr. »Es ist zu weit weg von der Innenstadt, um etwas anderes als ein ganz bewusst gewählter Ort zu sein .«
In Raphaels Augen leuchtete dieser gefährliche, metallische Glanz, ein Ausdruck, den sie nicht deuten konnte. Er lebte seit über einem Jahrtausend und hatte so viele Facetten in seiner Persönlichkeit – sie wusste, dass es eine Ewigkeit dauern würde, sie alle zu Gesicht zu bekommen. In diesem Moment war es offensichtlich, dass eine Diskussion mit ihm so verlaufen würde, als stieße sie ihren Kopf gegen Tausende rasiermesserscharfe Klingen.
Sie würde sich dabei nur verletzen.
Sie atmete tief durch und deutete in die Richtung, in der sie Jason gesehen hatte. »Ich muss die Tote untersuchen, um sicher sein zu können, dass an diesem Mord nichts Ungewöhnliches war .« Es sah alles nach einem einfachen Mahl aus, das außer Kontrolle geraten war, doch nach den vergangenen anderthalb Jahren verließ sie sich nicht mehr darauf, wonach die Dinge aussahen.
Raphael breitete seine Schwingen aus, die im trüben, wolkenverhangenen Licht unangenehm leuchteten. »Du kannst mir später davon berichten. Dmitri wird bald hier sein – er wird sich um die Schule kümmern .«
Mit einer Windbö verschwand er, und im nächsten Augenblick war sie allein und starrte ihm hinterher. Der Befehl machte ihr nichts aus – er war ihr Geliebter, aber in diesem Augenblick war sie eine Jägerin, und er hatte sie wie eine solche behandelt. Da sie nicht die Absicht hatte, ihre Stelle bei der Gilde aufzugeben, war das für sie in Ordnung.
Was ihr Sorgen machte, war die Distanz, die er zwischen ihnen geschaffen hatte, eine Distanz, bei der sie sich auf das Dach zurückversetzt fühlte, auf dem sie ihm zum ersten Mal begegnet war. Damals war Raphael noch nicht der Mann gewesen, der das Zeichen aus Bernstein, das Zeichen ihrer Verbindung, trug, sondern nur ein Unsterblicher, der sie mit einem einzigen Gedanken vernichten konnte. Ein Unsterblicher, der sie gezwungen hatte, ihre Hand um eine scharfe Stahlklinge zu schließen, bis ihr Blut dunkelrot hervortrat und auf die Fliesen tropfte.
»Wir werden nicht wieder zu diesem Punkt zurückkehren, Erzengel « , murmelte sie und ballte in sensorischer Erinnerung die Hand zusammen. »Wenn du das glaubst, wirst du dein höllisch blaues Wunder erleben .«
Sie drehte sich auf dem Absatz um und kehrte über den laubbedeckten Boden zu Jason zurück. Der Wald wirkte unheimlich in seiner Stille. Es war, als würden selbst die Vögel den Verlust dieses jungen, strahlenden Lebens betrauern. Als sie bei der Leiche ankam, ballte sich die Wut in ihrer Kehle wie eine Faust zusammen – es änderte nichts, dass das Monster, das Celias junges Leben genommen hatte, hingerichtet worden und der Gerechtigkeit Genüge getan war. Sie war tot, ihre Träume für immer erloschen.
Jason hatte seine Haltung nicht verändert, seit sie ihn vorhin gesehen hatte, ein steinerner Wächter. Da sie inzwischen wusste, wonach sie Ausschau halten musste, erkannte sie auch den Knauf des schwarzen Schwertes, das er verborgen unter der rußigen Schwärze seiner Flügel auf den Rücken gebunden trug. »Ich hatte nicht erwartet, dich hier zu sehen « , sagte sie, während sie versuchte, sich innerlich von dem zu distanzieren, was sie als Nächstes tun musste.
Jason trat zurück, um ihr den Zugang zu der Leiche frei zu machen. Bei dieser Bewegung fiel das Licht für kurze Zeit auf das Tribal-Tattoo auf seiner linken Gesichtshälfte, bevor er den Kopf wieder in den Schatten drehte, der ihn wie ein Mantel umgab. Nun konnte sie seine Augen nur noch erahnen, obwohl er das Haar zu einem festen Zopf zurückgebunden trug. »Ich
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