Gilde der Jäger: Engelsblut (German Edition)
zu Boden, als er ihr über die Wirbelsäule bis hinab zum Po strich und sie an sich drückte. Seine erhobenen Flügel legten sich sanft um sie.
»Das Gemälde « , sagte sie, um diesen Augenblick zu nutzen, der einfach nur ihr und ihrem Erzengel gehörte, »wann hast du es machen lassen ?«
»Während du mit Galen trainiert hast .« Er beantwortete ihre nächste Frage, bevor sie dazu kam, sie zu stellen. »Aodhan hat es in meinem Auftrag gemalt .«
Elena dachte an den Engel, dessen Augen aus zersplittertem Glas zu sein schienen und dessen Flügel im hellen Sonnenlicht wie Diamanten glitzerten. »Ich habe ihn nie bemerkt .«
»Er ist sehr gut darin, nicht bemerkt zu werden .«
»Die meisten Männer würden sich für ihr Schlafzimmer einen Akt aussuchen « , neckte sie ihn. »Du hast dich für eine Jägerin mit ihren Waffen entschieden .«
»Du bist die einzige Frau, die in mein Schlafzimmer kommt, Elena .«
Dass sie geliebt wurde … war schon ein Wunder. Dass sie von diesem Mann geliebt wurde, ging weit darüber hinaus. Und es gab ihr die Kraft, sich wieder in die Dunkelheit zu wagen. »Ich muss dir erzählen, was ich in der Schule gesehen habe .«
Er hörte ihr schweigend zu. »Du willst dich mit Dmitri in Verbindung setzen, um zu erfahren, ob sie die zweite Leiche gefunden haben ?«
»Ja .« In hilfloser Wut ballte sie hinter seinem Rücken die Fäuste. »Es war kein Zufall, dass der Vampir diese Schule ausgewählt hat, nicht wahr, Raphael ?«
Seine Antwort zerstörte ihre letzten, flüchtigen Hoffnungen. »Nein. Ganz bestimmt nicht .«
7
Weniger als eine Stunde später hatte sich Elena in der städtischen Leichenhalle eingefunden und blickte auf die herzzerreißenden Beweise dafür, warum Ignatius das Blut Unschuldiger vergossen hatte. Das Mädchen auf dem Tisch hieß Betsy, ein altmodischer Name für jemanden, der so jung war. Aber vielleicht hatte er ihr gefallen. Elena würde es nie erfahren, denn Betsys Kehle war herausgerissen worden, und ihr Blut hatte das Bett, in dem sie gelegen hatte, in erbarmungsloses Karmesinrot getaucht.
Man hatte sie im Wald gefunden, achtlos weggeworfen in der Nähe des Teiches, nur ein paar Schritte von der Stelle entfernt, an der Elena bei der Verfolgung gezögert hatte.
»Sie war eine externe Schülerin und hatte kein eigenes Bett in der Schule « , berichtete ihr Dmitri, der auf der anderen Seite der Toten stand. »Ihr Lehrer hatte sie ins Krankenzimmer geschickt, nachdem sie über Bauchschmerzen geklagt hatte. Aber Betsys beste Freundin hatte ein Zimmer in der Schule, und es sieht so aus, als habe sie sich stattdessen dorthin geschlichen. In dem Durcheinander haben dann alle geglaubt, die Schwester habe sie nach Hause geschickt .«
»Evelyn « , sagte Elena, während sie das kleine, herzförmige Gesicht betrachtete. Es war umrahmt von Haaren in einem so dunklen Braun, dass man es für Schwarz halten konnte. Der Akte zufolge waren Betsys Augen tiefgrau gewesen, bevor der Tod sie mit einem milchigen Schleier überzogen hatte. »Sie sieht aus wie meine kleine Schwester .« Und das Bett, das Betsys Blut durchtränkt hatte, gehörte Evelyn.
Deshalb war Betsy gestorben.
»Ich muss telefonieren .« Sie ballte ihre Faust, um dem sinnlos gewordenen Drang zu widerstehen, Betsys blasse Haut zu berühren – es war keine Wärme, kein Leben mehr in ihr. Es war ihr unwiederbringlich genommen worden.
Vor ihren Augen zog Dmitri das Laken über Betsys Gesicht – mit einer Zärtlichkeit, bei der Elena schlucken musste. »Ich werde eine diskrete Überwachung Ihrer Schwestern in die Wege leiten « , sagte er in einem so ruhigen Tonfall, dass er nur aufgesetzt sein konnte.
Sie nickte und trat hinaus in das kalte, klare Licht des Korridors, wo sie erschöpft an eine Wand taumelte. Es dauerte einige Zeit, bis das Zittern verging, das sie erfasst hatte. »Es tut mir leid « , flüsterte sie dem Mädchen zu, das nie wieder lachen, weinen oder laufen würde … und dem anderen, das in Kürze erfahren würde, dass ihre beste Freundin tot war.
Dann richtete sie sich auf und holte ihr Handy heraus, um eine Nummer zu wählen, die sie seit ihrem Erwachen aus dem Koma gemieden hatte. Ihr Vater meldete sich bereits nach dem ersten Klingeln. »Ja ?« Eine schroffe Aufforderung.
»Hallo Jeffrey .«
Sein Schweigen sprach Bände. Er mochte es nicht, wenn sie ihn mit seinem Namen ansprach – aber den Anspruch auf eine familiäre Anrede hatte er an dem Tag verwirkt, als er ihr gesagt hatte,
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