Gilde der Jäger: Engelsblut (German Edition)
sie sei »Abschaum « , ein Schandfleck im Stammbaum der erlauchten Familie Deveraux. »Elieanora « , sagte er in einem Ton aus purem Eis, »darf ich davon ausgehen, dass die heutigen unerfreulichen Ereignisse an der Schule der Mädchen etwas mit dir zu tun hatten ?«
Ihr Magen krampfte sich unter einer Last von Schuldgefühlen zusammen. »Evelyn war möglicherweise das Ziel .« Die Hand fest gegen die abblätternde Wandfarbe gepresst, erzählte sie ihm den Rest. »Ihre beste Freundin, Betsy, wurde ermordet. Du weißt ja, wie ähnlich sie sich sehen … sahen .«
»Ja .«
»Evelyn muss es erfahren. Die Namen werden früh genug zu den Medien durchsickern .«
»Ihre Mutter wird mit ihr reden .« Eine weitere Pause. »Die Mädchen werden zu Hause unterrichtet, bis du geklärt hast, was für ein Unheil du diesmal angerichtet hast .«
Es war ein Volltreffer, und sie steckte ihn ein. Denn er hatte recht. Die beiden jüngsten Deveraux-Mädchen waren ihretwegen in die Schusslinie geraten. »Das ist wahrscheinlich das Beste .« Sie wusste nicht, was sie noch sagen sollte, wie sie mit diesem Mann sprechen sollte, der einmal ihr Vater gewesen und jetzt ein Fremder war, der sie nur noch verletzen wollte.
In den ersten Tagen, nachdem sie aus dem Koma erwacht war, waren lang vergessene Erinnerungen aus ihrer Kindheit zurückgekommen, Erinnerungen an den Vater, den sie vor all den Jahren geliebt hatte. Jeffrey hatte im Krankenhaus ihre Hand gehalten, nachdem ihre beiden älteren Schwestern in der blutüberströmten Küche ermordet worden waren, hatte sie gegen heftige Widerstände hinunter in den Keller gebracht, damit sie Ari und Belle noch einmal sehen konnte – sie musste sicher sein, dass ihre Schwestern wirklich in Frieden ruhten, dass das Monster sie nicht zu seinesgleichen gemacht hatte. An diesem Tag hatte er geweint. Ihr Vater, ein Mann mit dem Herzen so kalt wie Stein, hatte geweint. Weil er ein anderer Mann gewesen war.
So wie sie ein anderes Mädchen gewesen war.
»Deinem Schweigen entnehme ich « , sagte Jeffrey mit schneidender Stimme, »dass die Gildedirektorin meine Nachricht nicht weitergeleitet hat .«
Jeffrey hatte Sara nie gemocht, da sie ein Teil von Elenas »schmutzigem « Beruf war. Elena schloss die Hand fester um das Handy, bis sie glaubte, ihre Knochen aneinanderreiben zu hören. »Ich konnte Sara heute Morgen nicht treffen .« Sie hatten gemeinsam Kaffee trinken und sich gegenseitig auf den neuesten Stand bringen wollen. Elena hatte sich darauf gefreut, ihre Patentochter Zoe in die Arme schließen zu können und zu sehen, wie sehr sie gewachsen war.
»Natürlich. Du warst in der Schule .« Starr und unnachgiebig wie Granit. »Ich muss mit dir persönlich sprechen. Komm morgen früh zu mir, sonst verlierst du das Recht, an dieser Entscheidung beteiligt zu werden .«
»Was für eine Entscheidung ?« Jeffrey und sie hatten sich schon seit zehn Jahren nichts mehr zu sagen gehabt, als Uram in die Stadt eingefallen war. Und selbst jetzt waren die einzigen Worte, die sie wechselten, wohlgeschliffene Waffen, so eingesetzt, dass sie möglichst großen Schaden anrichteten.
»Es ist eine Familienangelegenheit, mehr brauchst du nicht zu wissen .« Er legte auf, und obwohl es Elena so sehr frustrierte, dass ihr die Tränen kamen – dumme, unerwünschte Tränen – und in ihren Augen brannten, wusste sie, dass sie wie befohlen in seinem Büro erscheinen würde. Denn die Familie, von der er sprach, mochte zerbrochen sein, doch zu ihr gehörten nicht nur Amethyst und Evelyn, sondern auch Marguerites jüngste Tochter Beth.
Keine der drei hatte es verdient, zwischen die Fronten des endlosen Krieges zu geraten, der zwischen Jeffrey und Elena wütete.
Zwei Stunden hatte Raphael im Turm mit Jason verbracht, um über die Informationen zu sprechen, die den schwarz geflügelten Engel in die Stadt geführt hatten. Nun landete er lautlos in den Wäldern, die sein Anwesen von dem Domizil trennten, das Michaela bei ihren Besuchen in seinem Gebiet bewohnte. Er ging zu einem kleinen Bassin, das sein Gärtner in einer Grotte, verborgen zwischen großen Bäumen und überschattet von Weinlaub, angelegt hatte, und fragte sich währenddessen, ob Elena womöglich mehr sah als er selbst.
Er wusste, dass er hochmütig war. Das war unvermeidlich nach all den Jahren, die er schon lebte, bei all der Macht, über die er verfügte. Aber er war nie dumm gewesen. Also beherzigte er die Worte seiner Jägerin und fuhr sorgsam seine
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