Gilde der Jäger: Engelsblut (German Edition)
Kampfgeräusche hören, ebenso eine Woge unheimlichen Lachens. Das hieß vermutlich, dass sie auch Ransom aus dem Hinterhalt angegriffen hatten.
Sie schloss die Hand fester um den Klingenbogen.
»Warten Sie .« Venoms Atem in ihrem Ohr, seine Hand auf ihrem Arm. »Gehen Sie aufs Dach und kommen Sie von oben rein – wie es von hier aussieht, ist es ohnehin schon halb verfallen .«
Das würde ihr einen riesigen Vorteil verschaffen, aber … »Ich kann noch nicht senkrecht starten .«
Venom ließ sich auf ein Knie nieder. Nachdem er im Kampf seine Sonnenbrille verloren hatte, wirkten seine Augen im Regen auf unheimliche Weise lebendig. Als er die Hände ineinander verschränkte, begriff sie, was er vorhatte, und hängte sich den Klingenbogen über die Schulter. »Fertig ?« Sie setzte den Fuß in seine verschränkten Hände und stützte sich auf seinen muskulösen Schultern ab. Auf sein Nicken sagte sie: »Los .«
Er senkte die Hand ab, und dann gab er ihr Schub. Vampire waren schnell und stark, doch sie hatte nicht damit gerechnet, wie viel Kraft er in diese Hilfestellung legen konnte. Sie drehte sich in der Luft, schaffte es, die Dachkante zu fassen, und spürte, wie das Metall so tief in ihre Handflächen schnitt, dass warmes, dickes Blut hervorströmte. Aber das spielte keine Rolle, wenn Ransom alleine dort unten war.
Dank ihrer Muskeln, die sie als geborene Jägerin auszeichneten, schaffte sie es, sich aufs Dach zu hieven – und obwohl sich der eine Flügel ein wenig beschwerte, schien er nicht gebrochen zu sein. Es war leicht zu erkennen, dass Venom in Bezug auf den Zustand des Daches recht gehabt hatte. Da sie wusste, dass Ransom nicht viel Zeit blieb, zog sie ihren Bogen und rannte über die rissige, vermodernde Konstruktion, bis sie an eine Stelle kam, die nachgab und sie in die Tiefe riss.
Sie ließ sich fallen und spreizte die Flügel, um den Schwung abzubremsen, als sie auf die wärmere Luft im Inneren des Lagerhauses traf. Überraschte, blutbefleckte Gesichter wandten sich ihr zu, männliche wie weibliche, in den Augen wirbelte Rot. Blutrausch . Nachdem sie sich davon überzeugt hatte, begann sie, ohne Vorwarnung zu schießen. Die kleinen rotierenden Klingen durchtrennten Hälse, schnitten Gehirne in Scheiben und rissen Herzen entzwei … Jesus, dachte sie. Deacon war wirklich gut.
Als ihre Füße knarrend auf dem Boden aufkamen, schrie sie: »Ransom !«
»Noch nicht tot « , kam die Antwort aus einem Gewirr von Vampiren.
IndiesemMomentsahsie,dassdieWändeAugenhatten,dieVampirekauertensprungbereitaufdenSimsen.Siekonntesichgeradenochrechtzeitigumdrehen,umzweivonihnenhintersichzuerledigen.Himmel,wievielewarenesbloß?DannhattesiekeineZeitmehrzudenken – ihreFlügelmachtensieamBodensoangreifbar,dasssieessichnichtleistenkonnte,dieVampirenahansichherankommenzulassen.SieeröffnetedasFeuermitdemKlingenbogenindereinenunddemMiniaturflammenwerferinderanderenHand.DieseWaffewarimFlugzwarnichtsopraktisch,dafürwarsieimNahkampfhöllischgutzugebrauchen.
Hohe, schrille Schreie erfüllten das Lagerhaus, während Leiber brutzelten und schmorten – der Geruch ähnelte auf ekelerregende Weise dem einer Grillparty. Und es waren nicht nur Ransom und sie, die das anrichteten. Sie erhaschte einen Blick auf Venom, der mit seinen tückisch geschwungenen Messern – wo zum Teufel hatte er sie nur her? – in seiner reptilienhaften Geschwindigkeit, die sie gleichermaßen abstieß und faszinierte, Vampirköpfe abschlug. Als er eine gut ausgestattete blonde Vampirin hinrichtete, die ihm mit den Krallen voran ins Gesicht springen wollte, schoss eine Blutfontäne empor und besprühte seine zimtfarbene Haut mit rubinroten Tropfen.
»Ransom, pass auf !« , schrie sie, als sie sah, dass sich einer der Kauernden auf ihren Freund stürzen wollte.
In dem Augenblick, als sich eine ihrer Klingen in den Schädel des Vampirs bohrte, hob Ransom das Gewehr und schoss. Der Mann fiel. Sein Körper zuckte, als versuchte er aufzustehen, obwohl ihm das Hirn die Schläfen hinunterrann. Aber er war angeschlagen genug, dass sie sich seinetwegen eine Zeit lang keine Sorgen mehr machen mussten.
Eine schlüpfrige, kalte Hand an der Spitze ihres Flügels.
Nein! Ihre Flügel waren höchst empfindlich, und sie hasste es, wenn sie von etwas Bösem berührt wurden. Der Drang, herumzufahren und etwas Unüberlegtes zu tun, war fast überwältigend, doch sie kämpfte dagegen an. Stattdessen richtete sie Deacons Klingenbogen hinter sich und berechnete
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