Gilde der Jäger: Engelsdunkel (German Edition)
erhalten und ihn in ihr Landhaus eingeladen, in dem sie Rast machten. In der ersten Morgendämmerung des nächsten Tages wollten sie zur zweiten Etappe ihrer Reise aufbrechen, um in ihr Heim am anderen Ende von Nehas Herrschaftsgebiet zu gelangen.
Er hatte Glück gehabt, dieses Paar zu finden. Die meiste Zeit verbrachten die beiden damit, die Welt zu erkunden, seit sie nach tausend Dienstjahren von ihren Pflichten entbunden worden waren. Obwohl sie ihrem Erzengel gegenüber fraglos loyal waren, hegten sie auch eine unverhohlene Zuneigung für Raphael.
»Wir haben mitangesehen, wie er von einem Kind zu einem Erzengel herangewachsen ist. Er war nie zu stolz, mit uns Schwächeren zu sprechen, obwohl seine Macht unsere schon in den Schatten stellte, als er noch ein kleines Kind war.«
Diese Zuneigung erstreckte sich auch auf die Sieben, und so hatten die beiden Jasons Fragen nach dem Vampir mit den scharlachroten Haaren sehr gern beantwortet. Allerdings hatte er seine Befragung so zusammengestellt, dass die wichtigste Frage nur eine unter vielen war. Er wollte seine Beute nicht durch ein unachtsames Wort aufscheuchen. Was er erfahren hatte, war … interessant gewesen. Die Lösung des Rätsels lag ihm beinahe schon auf der Zunge.
Neben ihm bewegte sich etwas. Mahiyas Finger regten sich auf seiner Brust. Ihre Haare fielen über seinen Arm und seine Schulter, einer ihrer Flügel lag halb auf, halb neben ihm, während er auf dem Rücken lag und beide Hände hinter dem Kopf verschränkt hatte.
»Wie lange habe ich geschlafen?«, fragte sie heiser, ohne den Kopf von seiner Schulter zu nehmen.
Er warf einen Blick auf das Mondlicht, das durch das hohe, filigrane Gitterwerkfenster hereinfiel. »Nicht lang, vielleicht eine Stunde.« Eine Stunde, in der er ihrem Atem gelauscht und lautlose Muster auf ihre Haut gemalt hatte, während sein Herzschlag, beruhigt von ihrem, allmählich langsamer wurde. Es war ein unerwartetes Gefühl gewesen und hatte eine heftige Reaktion in ihm ausgelöst, ein wildes Drängen, sich loszumachen, sich zu befreien.
Aber Jason war beinahe siebenhundert Jahre alt und wusste, was ihn umtrieb – er hatte in den Abgrund seiner Seele geblickt, hatte den einsamen, verlassenen Jungen gesehen, und dieser hatte seine Blicke erwidert. Er wusste, dass dieser Junge nichts und niemandem vertraute, dass er jede Art emotionaler Bindung skeptisch beäugte, weil er von einer solchen Beziehung nichts als Schmerz erwartete.
Dieser Junge hatte eine solche Angst.
Mit diesem Wissen hatte Jason sich schon vor langer Zeit abgefunden. Dieser verängstigte Junge beherrschte sein bewusstes Denken nicht mehr, aber er war so tief in seinem Unterbewusstsein verankert, dass Jason den Grund für sein Handeln oft nicht erkannte, ehe die Tat vollbracht und sein Geist wieder klar war. Heute Nacht hatte er dagegen angekämpft, als ihn der Drang zu gehen überkam, denn neben einer schlafenden Mahiya im Bett zu liegen war ein ganz einzigartiger Genuss.
Ihm gefiel, wie ihr Duft seine Haut wärmte und in sie einzudringen schien. Ihm gefiel, wie er ihre Haarsträhnen gemächlich um seine Finger wickeln und damit spielen konnte, während er nachdachte. Und ihm gefiel, dass sie winzig kleine Laute von sich gab und sich immer wieder näher an ihn schmiegte – als wäre sie ganz verrückt nach seiner Nähe. Er fühlte sich beinahe real, beinahe wie ein normaler Mann, der fähig war, eine Frau zu lieben und sie in den Armen zu halten.
Es war eine Illusion, aber in dieser Nacht wollte er sich dieser Illusion hingeben.
»Hmmm.« Mahiya griff nach der Decke, die sich um ihre Schenkel gewickelt hatte, und zog sie sich bis zur Taille hoch, ehe sie die Hand wieder auf sein Herz legte. Als sie gähnte, bewegten sich ihre Lippen und ihr Kiefer auf seiner Haut, ihr Flügel hob sich ein kleines Stück, und das silberne Mondlicht ließ die leuchtenden Farben ihrer Federn wie Edelsteine erstrahlen.
Bevor Mahiya eingeschlafen war, hatten diese Flügel vor Jasons Augen zu flirren und schimmern begonnen, denn Mahiya hatte eine Stunde damit zugebracht, ihn mit unverhohlener Freude am ganzen Körper zu streicheln und zu küssen. Berauscht von diesen körperlichen Empfindungen hatte er seine schüchterne Mahiya erst dazu überreden müssen, sich auf ihn zu setzen, doch dann hatte sie ihre Position genutzt, um ihn mit süßer, weiblicher Lust zu verwöhnen.
Noch immer in seiner Illusion verweilend, strich er mit den Fingern über ihre sensible
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