Gilde der Jäger: Engelsdunkel (German Edition)
Welpen hatten einander verdient, und ich hatte recht, nicht wahr?« Ohne eine Antwort abzuwarten, fügte sie hinzu: »Trotzdem hätte er mich zu seiner Hochzeit einladen sollen.« In diesen Worten lag eine gefährliche Förmlichkeit.
»Ja, das hätte er. Aber erst wenige Tage zuvor hatte ein Vampir Ihres Hofs versucht, ihn umzubringen.«
Neha hob den Kopf, ihr Lächeln war so kalt wie das Blut der Kobra, die sich in einem Korb in einer Ecke der Terrasse wand. »Glaubt er, ich würde mich hinter jemandem wie Kallistos verstecken?«
»Tatsache ist«, sagte Jason, »dass Dmitri Sie von allen Kadermitgliedern immer am meisten gemocht hat – aber abgesehen von dieser kurzen Waffenruhe, die aus meiner Anwesenheit hier resultiert, sind Sie und Raphael zurzeit nicht die besten Freunde.«
»Willst du in der Politik mitmischen, Jason?«
»Dazu eigne ich mich ausgezeichnet.«
Eine kurze Stille. »Natürlich tust du das.« An die Stelle ihres Zorns trat kühle Anerkennung. »Ein Meisterspion ohne Gespür für die Zwischentöne wäre nutzlos.«
Auf diese offensichtliche Tatsache hin erwiderte Jason nichts. Stattdessen sagte er: »Als Dmitri erfuhr, warum ich Ihr Territorium besuchen würde, bat er mich, Ihnen sein Beileid auszusprechen. Er sagt, er wird Eris immer als den Schwertkämpfer in Erinnerung behalten, der ihm ein angenehmer Trainingsgegner war.«
Mahiya hatte Eris in seinem Palast mit dem Schwert tanzen sehen, es war ein Anblick von atemberaubender Eleganz gewesen. Einmal hatte sie sogar Eris und Neha gemeinsam im Innenhof gesehen. Ihre Schwerter und Körper hatten sich mit einer Harmonie bewegt, die – für einen einzigen, intensiven Augenblick – schmerzlich deutlich zu erkennen gab, wie sich die beiden überhaupt hatten ineinander verlieben können.
»Ich hatte vergessen«, murmelte Neha, »dass Dmitri und Eris diese Gemeinsamkeit hatten. Zwei so unterschiedliche Männer, vereint durch das Schwert.«
»Er hat mir auch aufgetragen, Sie zu fragen, ob er und seine Braut Ihnen willkommen wären, sobald Sie wieder Besuch empfangen…«
»Es würde mich sehr wundern, wenn er sich so reizend ausgedrückt hätte«, sagte Neha, doch Mahiya merkte, dass der Erzengel sich über die Anfrage freute, denn der Anführer der Sieben galt als zynisches, hartherziges Scheusal, das niemandem vertraute. Und doch hatte er genug Achtung vor Nehas Stellung, um die Frau, die er geheiratet hatte, in ihr Territorium mitzubringen.
»Sag ihm«, fuhr der Erzengel fort, »dass ich nicht ungehalten wäre, wenn er und seine Gattin mir die Ehre erweisen würden. Den Zwist habe ich mit Raphael, nicht mit Dmitri.«
Jason nickte. »Ich werde die Nachricht weitergeben. Halte ich Sie von Ihren Staatsgeschäften ab?«
»Nein.« Neha schüttelte den Kopf und trat eine Flügellänge zurück. »Ich habe die öffentliche Audienz verschoben. Du begleitest mich zu meiner Festung, ich möchte über Nacht bei Eris bleiben.«
Sie breitete die Flügel aus und führte einen tadellosen Senkrechtstart aus. Neben ihr stieg Jason in die Luft. Mahiya war langsamer und fiel etwas zurück, doch sie gab sich keine Mühe aufzuholen, denn bei dem Gedanken an einen Aufenthalt in der Festung geriet ihr Magen ins Schlingern. Stattdessen ließ sie die Blicke über die Stadt gleiten, die in stiller Betriebsamkeit unter ihnen lag. Einst hatte sie einen anderen Namen gehabt, aber nach so vielen Jahrhunderten im Schatten der Erzengelfestung hieß sie nun Erzengelstadt.
Nicht überraschend spiegelte die Stadt Nehas Geschmack wider. Die meisten Gebäude – bis auf die Wohnhäuser jener mächtigen Vampire und Engel, die außerhalb der Festung lebten – waren zwar klein und eingeschossig, aber dennoch elegante Steinhäuser, die dem Lauf der Zeit standgehalten hatten. Wie in jeder Stadt gab es in Erzengelstadt sowohl enge Gassen als auch breite Verkehrsstraßen, aber nichts darin war zerfallen oder hässlich, schmutzig oder heruntergekommen. Das Wasser im See war so klar und frisch, dass man es trinken konnte.
Zu Mahiyas anderer Seite erstreckte sich entlang einer natürlichen Kammlinie die Bergfestung, die ebenfalls die Prägung ihrer Herrin trug. Die vergleichsweise bescheidene Anlage war mit der Hauptfestung durch unterirdische Gänge verbunden, für deren Geheimhaltung Männer ihr Leben gelassen hatten. Auch Mahiya wusste nur deshalb davon, weil Eris bei einer der seltenen Gelegenheiten, bei denen er seinen Zorn in der Flasche ertränkt hatte, unbedacht etwas
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