Gilde der Jäger: Engelsdunkel (German Edition)
Versuche eingestellt, andere auf seine Existenz hinzuweisen, und nur noch gewartet – bis er wusste, dass er kräftig genug war, um einen ganzen Tag und eine ganze Nacht am Stück zu fliegen, falls es unterwegs keine Inseln zum Ausruhen gegeben hätte.
In der Zwischenzeit hatte er in der Stille gelebt.
»Eine Schande, dass der Junge stumm ist. Die Instrumente, die er baut, sind so meisterhaft, dass man meinen könnte, er hätte bei Yaviel persönlich gelernt.«
Stumm war Jason nie gewesen. Er hatte sich nur erst wieder daran erinnern müssen, wie man sprach, und das hatte er durch Zusehen und Zuhören getan. Diese Fähigkeit würde ihm heute Abend zugutekommen. Der Saal, der vor ihm lag, war in warmes Kerzenlicht getaucht. Auf einem Teppich stand ein Tisch aus honigfarbenem Holz, der auf Hochglanz poliert war, sodass er wie Bernstein leuchtete. Das tiefe Bordeauxrot der Sitzkissen auf den dazu passenden Stühlen bildete einen Kontrast zu den hellen Farben, die die Gäste für ihre Garderobe gewählt hatten. Die Gespräche waren gedämpft, niemand wollte schon jetzt auf Eris’ Grab tanzen.
Bis auf einen Mann vielleicht, den Jason an der Art, wie er sich an Nehas Seite verhielt, als Arav identifizierte. Ein charmanter, eleganter Begleiter des Erzengels, der unterdessen die liebenswürdige Gastgeberin gab. Obwohl Jason wusste, dass Neha eine furchtbare Trauer hinter dieser Maske verbarg, war es an sich keine Lüge.
»Ich war noch nie an einem so freundlichen Hof wie dem, den Neha unterhält.« Dmitri ließ ein Messer zwischen den Fingern kreisen, es war eines von dreien, die er aus Nehas Territorium mitgebracht hatte. »Es ist ihr wirklich wichtig, einem Besucher Ehre zu erweisen.« Er warf Jason das Messer zu.
Dieser warf es zurück, während Venom hinzufügte: »Obwohl sie durchaus fähig ist, diesen Gast fein säuberlich hinzurichten, während der Rest des Hofes schläft.«
Venoms Antwort war ebenso zutreffend wie Dmitris – Neha war keine zweidimensionale Karikatur. Kein Erzengel war das, und wer etwas anderes glaubte, musste sich auf eine hässliche Überraschung gefasst machen. Jason hatte nicht die Absicht, einer solchen Blindheit zum Opfer zu fallen. Manch Sterblicher mochte in den Erzengeln etwas Göttliches sehen, aber Jason sah in ihnen das, was sie waren: Wesen von brutaler Macht, die Jahrtausende Zeit gehabt hatten, jede einzelne ihrer tödlich scharfen Kanten bis zur Vollkommenheit zu schleifen.
In diesem Moment sah die Königin der Schlangen und der Gifte zu ihm herüber.
Jason neigte den Kopf, trat jedoch nicht auf sie zu, und sie erwiderte seinen Gruß, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Gast zuwandte, der vor ihr stand.
»Der Vampir, der auf uns zukommt«, sagte Mahiya im Flüsterton nach dieser stummen Begrüßung, »ist Rhys. Er gehört zu Nehas vertrautem geheimen Rat.«
»Ich habe ihn in der Zufluchtsstätte kennengelernt.« Aber da er niemanden in diesem Raum so gut kannte, wie Mahiya es tat, würde er sie später nach ihrer Meinung fragen.
»Jason.« Ein höfliches Nicken, dann wandte Rhys sich Mahiya zu. »Du siehst reizend aus, Prinzessin.«
Mahiyas herzliche Antwort ließ Jason erkennen, dass sie Rhys mochte. »Vielen Dank, Sir. Geht es Brigitte gut?«
»Das tut es allerdings, aber du kennst sie ja.« Beide lächelten. »Ich fürchte, meine Liebste ist kein höfisches Wesen«, sagte er zu Jason. »Allerdings ist sie in ihrem Job als Kryptographin so hervorragend, dass Neha ihr diese exzentrische Haltung verzeiht.«
»Ich habe von ihrer Arbeit gehört.« In Jasons Branche kannte jeder ihren Namen. »Das eine oder andere Mal war ich versucht, sie abzuwerben.«
Der andere Mann lachte mit funkelnden Augen. »Oh, ich muss gestehen, dass ich davon wusste. Sie war sehr geschmeichelt, aber wir sind loyal.«
Auch wenn der Meisterspion in ihm darüber enttäuscht war, als Mitglied der Sieben konnte Jason diese Entscheidung verstehen.
»Und jetzt versucht Neha, dich abzuwerben.« Rhys Ton war herzlich, aber die eisige Berechnung in seinem Blick ließ erkennen, dass er in Jason eine Bedrohung der Sicherheit der Festung sah.
Darauf erwiderte Jason nichts – oft war Schweigen eine bessere Waffe als Worte. Er zog es vor, Rhys’ Aufmerksamkeit auf eine andere Gefahr zu lenken. »Wie es aussieht, beherbergt die Festung einen Gast, der gern ein Gemahl wäre.«
Rhys drehte sich nicht nach Arav um. »Es gibt stets einige Anwärter auf den Thron.« Eine Härte in seinem Ton verriet den
Weitere Kostenlose Bücher