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Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Titel: Gillian Shields - Der Zauber der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Band 3
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deshalb in meiner Wut auf gefährliche Freundschaften einlassen könnte, hatten sie nicht bedacht.
    Meine Hand schmerzt. Ich muss mich jetzt ausruhen.
    Schon nach wenigen Wochen gab ich es auf, unter den hochnäsigen Mitschülerinnen in Wyldcliffe Freundinnen zu suchen. Aber tief im Herzen suchte ich nach einem Wesen, das ich lieben konnte. Anstatt mich bei Daphne und Winifred einzuschmeicheln, suchte ich meine Freunde woanders. Ein Trost war Cracker, mein geliebtes rundliches Pony, das mir Vater gekauft hatte. Ich war so froh, dass Cracker bei mir war. Manchmal schlich ich mich in die Ställe, legte meine Arme um seinen Hals und atmete seinen würzigen warmen Geruch ein. Ein bisschen Liebe an diesem freudlosen Ort. Und doch: Wenn Cracker nicht gewesen wäre, wäre all dies nicht passiert.
    Ich hatte die Erlaubnis, ganz früh aufzustehen und mit meinem Pony am Flussufer entlang ins Dorf zu reiten, solange der Stallbursche mich begleitete. Sonntagnachmittags durften auch die anderen Schülerinnen, die ein Pferd hatten (viele waren es nicht), unter Aufsicht reiten. Sie bevorzugten allerdings das leicht hügelige Gelände in den Moors. Das waren kostbare Stunden, Stunden der Freiheit. Wenige Wochen nach meiner Ankunft in Wyldcliffe erwartete mich eine noch größere Freude. Es war an meinem 15. Geburtstag. Miss Scarsdale ritt auf ihrem wunderschönen Schimmel mit mir zusammen über die Moors zu den Steinen oben auf dem Blackdown Ridge. Sie erklärte mir, dass die Steine vor tausenden von Jahren von Menschen dorthin gebracht worden waren, die sie als sichtbare Zeichen ihrer Götter verehrten. Schwarz und abweisend hoben sich die gewaltigen Steine gegen den Horizont ab. Ein unheimlicher Anblick. Miss Scarsdale wusste so vieles über Geologie und Archäologie und Geschichte und über alle möglichen anderen Dinge. Sie zeigte mir, wie viel ich noch zu lernen hatte. Ich liebte es, hier draußen zu sein und das Blöken der Lämmer und die Schreie der Vögel zu hören. Ich sah einen Brachvogel und einen Kiebitz. Bei unserem Ausflug ritten wir auch an Höhleneingängen vorbei, über die Miss Scarsdale wusste, dass sie sich wie Bienenwaben unter den Hügeln hindurchziehen.
    Letzte Nacht habe ich wieder von den Höhlen geträumt. Als ich schluchzend aufwachte, bekam ich keine Luft und musste die Krankenschwester rufen. Ich schämte mich, dass ich so schwach und kindisch war, aber ich konnte nicht anders. Ich muss stark sein! Wie ein Soldat …
    Aber ich wollte gerade darüber schreiben, wie ich versucht habe, Freunde zu gewinnen. Manchmal nahm ich ein Stück Kuchen vom Abendessen mit, um es gemeinsam mit den Dienstmädchen zu essen. Früher war ich gut mit den Mädchen aus dem Dorf befreundet gewesen, die Mutter im Haus geholfen hatten, aber die Dienstmädchen in Wyldcliffe waren anders, trotzig, misstrauisch und unzufrieden mit ihrem Schicksal. Zweifellos war es für Miss Featherstone nicht leicht, mit ihnen auszukommen. Warum auch immer, für sie war ich anders, eben eine junge Lady. Für meine Mitschülerinnen war ich anders, weil ich eine Roma bin. Und so war ich allein. Allein. Ein schreckliches Wort. Schon wenn ich es schreibe, bekomme ich Kopfschmerzen.
    Aber als die Brüder nach Wyldcliffe kamen, war ich nicht mehr allein.

Neun
    I ch fühlte mich schrecklich einsam. Das Mal, der Staub, die Erde. Der erste Buchstabe meines Namens. Ein seltsames Gefühl, als hätte man mich plötzlich ins Rampenlicht gezerrt, und ich war nicht sicher, ob mir das gefiel. In dieser Nacht hatte ich wieder wirre Träume gehabt, und ich erwachte mit wild klopfendem Herzen und dröhnendem Kopf. Vielleicht war ich wirklich jemand, der besser im Hintergrund bleiben sollte.
    Hör auf die Trommeln. Was sollte diese Nachricht bedeuten? Und wer hatte sie geschickt? Ich hatte Trommeln in meinem Traum gehört und ihrem hypnotischen Rhythmus gelauscht. Was konnte ich sonst noch tun, um diesem Rat zu folgen?
    Ich musste raus aus dem Bett, und zwar schnell. Die Morgenglocke hatte noch nicht geläutet, und meine Zimmergenossinnen schliefen noch. Ich zog mich vorsichtig an, um sie nicht zu stören, und schlich mich rasch zu den Ställen hinunter. Überall um mich herum erwachte die Natur zu neuem Leben. Die Blumen und die Bäume blühten, und die Lämmer auf den welligen Hügeln wuchsen unter den wachsamen Augen ihrer Mütter heran. Aber in meinen Gedanken war ich immer noch in der Finsternis; meine Augen starrten auf die zersplitterte Tür und versuchten zu

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