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Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Titel: Gillian Shields - Der Zauber der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Band 3
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Mitternacht und verstummte.
    Eine Gestalt in einem langen Umhang tauchte zwischen den Ruinen auf, ihr unter einer Kapuze verborgenes Gesicht starrte auf den Boden. Weder die Statur noch die Art, sich zu bewegen, erinnerten an Miss Scratton. Ich hielt den Atem an. Die unbekannte Person kam näher, sie schien nach etwas – oder nach jemandem – zu suchen.
    Aus der Ferne war das bellende Geräusch eines Fuchses zu hören. Die Gestalt zuckte zusammen, hob den Kopf und eilte in die entgegengesetzte Richtung davon. Dann hörte ich Miss Scrattons Stimme: »Rührt euch nicht vom Fleck. Wartet.«
    Die flüchtende Gestalt verschwand zwischen den dichten Büschen. Dann verklangen die Schritte, und es wurde still. Ich wandte mich zu Miss Scratton und flüsterte: »Wer war das?«
    »Ein Mitglied des Zirkels, da bin ich sicher. Wir müssen uns beeilen.«
    »Was tun wir hier?«, fragte Evie.
    »Wir versuchen, einen mächtigen Schutzzauber zu beschwören, um Mrs Hartles Seele abzuwehren. Ihr seid ihren Attacken hilflos ausgesetzt, und ich will damit einen Schutzkreis um euch legen.«
    »Heißt das, sie kann uns dann nicht mehr erreichen?« In Helens Stimme lag Zweifel. »Kann sie das wirklich fernhalten?«
    »Wir müssen darauf hoffen. Evie, hast du den Talisman?«
    Evie nahm die Kette ab und gab sie Miss Scratton. Diese schüttelte den Kopf. »Nein, es ist dein Talisman. Du musst ihn benutzen.«
    »Aber ich weiß nicht, ob ich noch …«
    »Dann müssen wir es herausfinden. Sarah, hast du das Buch?« Ich zog es unter meiner Jacke hervor. »Sehr gut. Dieser Ort war einst eine heilige Stätte, das Herz von Wyldcliffe, und sein Segen könnte uns helfen.« Sie sah uns ernst an. »Lasst uns beginnen. Habt keine Angst vor dem, was ihr sehen werdet. Es sind nichts als Träume und Visionen. Denkt an meine Worte: Habt keine Angst.«
    Ich kann hier nicht jede Einzelheit der Beschwörungszeremonie wiedergeben. Aber zu Beginn legten wir das Buch auf die Überreste des Altars, schlugen es auf und studierten die Anweisungen. »Zum Schutz gegen einen Bösen Geist.« Die dicken schwarzen Lettern der Überschrift sahen bedrohlich aus. Was, wenn wir es nicht schaffen würden?
    Wir fassten uns an den Händen und schlossen den Kreis. »Ich stehe hier als Wächter und Beschützer deiner jungen Dienerinnen«, intonierte Miss Scratton, »nimm meine Anwesenheit an, Allmächtiger Gott. Sei uns wohlgesonnen, und lass uns dein Werk im Verborgenen vollenden.«
    Plötzlich formten sich die Ruinen wieder zu der Kapelle, so wie sie vor vielen hundert Jahren hier gestanden hatte. Ihre Mauern waren silbern und fast durchscheinend, wie die milchigen Buchstaben, die unter Miss Scrattons langen Fingern erschienen waren, als sie das Buch berührt hatte. Ich konnte die heilige Stätte sehen und doch wieder nicht, mit dem See, den Bäumen und dem Gebüsch, deren Konturen man durch die Mauern hindurch noch erahnen konnte wie das gespenstisch wirkende Negativ einer Fotografie.
    Wir starrten unsere Lehrerin fragend an.
    »Was … wie …?«
    »Für einen kurzen Augenblick sind wir vor neugierigen Augen geschützt. Mehr kann ich nicht tun. Den Rest müsst ihr selbst schaffen.«
    Nach den Anweisungen des Buches zeichneten wir komplizierte Muster in den Boden und sprachen die Beschwörungsformeln: »Zum Schutz unserer Schwestern … zum Schutz vor dem Wolf, dem Raben und dem namenlosen Tod … den Geist an das Grab zu binden … und den Feind an die Wildnis …«
    Wir riefen die Mächte der Erde, der Luft und des Wassers an. Der Wind pfiff um die durchscheinenden Mauern, der See murmelte in seinem Bett, die Erde zitterte unter unseren Füßen. Ich meinte lange Reihen von schattenhaften Frauen in den pechschwarzen Ecken der Kapelle knien zu sehen, die uralte Gebete murmelten.
    »Evie, nun musst du Agnes um ihre Mithilfe bitten«, drängte Miss Scratton, »rufe sie durch die Heilige Flamme an. Aber hab keine Angst vor dem, was du siehst.«
    Mit zitternden Händen reckte Evie das Amulett in die Höhe.
    »Agnes?«, rief sie. »Bitte hilf uns. Wir brauchen dich.« Ein greller Lichtblitz zuckte über den nachtschwarzen Himmel. Einen Moment lang war ich geblendet und konnte nichts mehr sehen, dann erkannte ich die Silhouette eines jungen Mädchens, das ganz in Weiß gekleidet war. Sie stand unter dem Ostfenster des Gemäuers und streckte die Hände nach uns aus. Agnes hatte unser Flehen gehört.
    »Wir schaffen einen Kreis gegen die Dämonen und die Goblins«, sangen wir, »wir

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